Angesichts der letzten "Kopftuch"-Entscheidung des BVerfG aus diesem Jahr darf man gespannt sein, wann wir die erste (Bundesverfassungs-)Richterin mit Kopftuch sehen werden. Die Diskussion – nicht nur in der Fachwelt – nimmt mittlerweile breiten Raum ein. Bemerkenswert ist vor allem, mit welcher Härte teilweise auf entgegengesetzte Meinungen eingedroschen wird. Darunter leidet m.E. die Qualität der Diskussion erheblich. Unsere Grundordnung wird nicht durch ein Stück Stoff bedroht. Die Diskutanten sollten sich dies zuweilen vor Augen halten. Andererseits fragt man sich aber auch, ob alles, was verfassungsrechtlich zulässig ist, auch sinnvoll ist.

Aktuell hat der nordrhein-westfälische Landtag das Schulrecht unter Berücksichtigung der Vorgaben des BVerfG geändert. Es gibt damit kein grundsätzliches Kopftuchverbot mehr. In Niedersachsen wird ein Erlass vorbereitet, der auf eine neue Auslegung des dortigen Schulgesetzes hinweist. Insbesondere Eltern- und Lehrerverbände kritisieren die aktuelle Entscheidung des BVerfG. Mit Blick auf die christlich geprägte Kultur in Deutschland sei es generell falsch, Lehrerinnen das Tragen eines Kopftuchs zu gestatten. Schüler würden in ihrer Meinungs- und Religionsfreiheit eingeschränkt.

 

Hinweis:

Aus der Schweiz ist jetzt ein Fall bekannt geworden, in dem eine 14-Jährige vom Unterricht ausgeschlossen wurde, weil sie sich dazu entschloss, ein Kopftuch zu tragen. Ihre Mitschüler durften ihr noch nicht einmal die Hausaufgaben bringen. Ob das Verbot überhaupt rechtmäßig ist, ist fraglich. In dem Kanton (Bern) ist das Tragen von Kopftüchern in der Schule grundsätzlich erlaubt.

Für die anwaltliche Praxis lässt sich auf der Grundlage von Rechtsprechung und Literatur zusammenfassend feststellen, dass es mittlerweile ausgeschlossen erscheint, das Tragen religiöser Bekleidung im öffentlichen Raum außerhalb von Tendenzbetrieben zu untersagen. Abmahnungen und Kündigungen sind hier ebenso unwirksam wie beamtenrechtliche Dienstanweisungen. Dies kann in naher Zukunft auch für Berufsrichter gelten. Die hier bislang vorgenommene Differenzierung wird sich aus verfassungsrechtlichen Gründen nur sehr schwierig aufrechterhalten lassen. Sie erscheint manchen bereits heute als überholt.

Autor: Rechtsanwalt a.D. Ralf Rödel, Nottuln

ZAP 18/2015, S. 997 – 1002

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