Die Anwaltschaft in Deutschland wird unwiderruflich schrumpfen. Das prognostizierte kürzlich das Soldan-Institut, das die Zahlen zu den niedergelassenen Anwältinnen und Anwälten der vergangenen Jahre einmal näher untersucht hat. Ergebnis: Die Zahlen der niedergelassenen Anwältinnen und Anwälte stagnieren seit Jahren – und werden auch nicht mehr zu-, stattdessen sogar abnehmen. Das Institut spricht deshalb auch von einer "Zeitenwende".

Das Soldan-Institut verweist darauf, dass die von der Bundesrechtsanwaltskammer geführte Zulassungsstatistik seit Jahren stagnierende bzw. teils sogar rückläufige Zahlen aufweist (vgl. zu den Zulassungszahlen zuletzt Anwaltsmagazin ZAP 9/2020, 440 f.). Danach sei die Anwaltschaft zuletzt offiziell nur noch um rund ein halbes Prozent gewachsen. Dieses bescheidene Wachstum sei allerdings hauptsächlich den Syndizi sowie den "ausländischen" Anwälten (nach EuRAG und § 206 BRAO) zu verdanken. Betrachte man demgegenüber nur die Kerngruppe – die "niedergelassenen Rechtsanwälte mit deutscher Berufsqualifikation" –, so sei bereits jetzt ein Schrumpfungsprozess zu beobachten. Diese Teilgruppe sei innerhalb der letzten vier Kalenderjahre um mehr als 8.000 Berufsträger von 153.752 auf 145.658, also um 5,3 % geschrumpft.

Als Ursachen des Rückgangs hat das Institut folgende Entwicklungen ausgemacht:

  • das Erreichen des Ruhestandsalters von relativ großen, erstmals durch berufsständische Versorgung abgesicherten Zulassungsjahrgängen der späten 1970er und frühen 1980er Jahre,
  • eine zunehmende Zahl von Zulassungsverzichten bei unter 40jährigen Berufsträgern,
  • die trotz der seit einigen Jahren wieder steigenden Studierendenzahlen unverändert niedrigen Absolventenzahlen sowie der verschärfte Wettbewerb der juristischen Berufe um Absolventen,
  • daneben, wenn auch von eher untergeordneter Bedeutung, der "beA-Effekt" sowie der Wechsel von Alt-Syndizi in die Syndikusanwaltschaft.

Regional gebe es hier allerdings Unterschiede. Insbesondere in den ostdeutschen Rechtsanwaltskammern seien die stärksten Rückgänge zu beobachten. Diese hätten im betrachteten Vierjahres-Zeitraum zwischen 8,1 % (Thüringen) und 9,9 % (Sachsen-Anhalt) gelegen. Allerdings hätten auch westdeutsche Kammern wie Koblenz, Köln, Schleswig, Stuttgart, Tübingen und Zweibrücken Rückgänge von teils über 7 % zu verkraften. Am wenigsten „Federn” hätten die großstädtisch geprägten Kammern wie Hamburg (-1,7 %), Berlin (-2,7 %) oder Frankfurt (-3,3 %) lassen müssen.

Schreibe man die Zulassungszahlen der letzten Jahre über das bevorstehende Jahrzehnt fort, habe man mit spürbaren Rückgängen bei der Zahl der niedergelassenen Rechtsanwälte zu rechnen, so das Institut. Eine genaue Prognose sei allerdings schwierig: Gehe man von einem weiteren kontinuierlichen Rückgang von jährlich nur 1 % aus, wären im Jahr 2030 nur noch rund 133.000 nieder­ge­lassene Anwälte in Deutschland tätig, ihre Zahl hätte sich damit bis 2030 um mehr als 20.000 verringert. Gehe man sogar von weiteren jährlichen Rückgängen von 1,5 % oder 2 % aus, lägen die Zielwerte für das Jahr 2030 bei 126.000 bzw. 120.000 niedergelassenen Rechtsanwälten; dies würde einen Nettoverlust von 28.000 bzw. 34.000 Berufsträgern bedeuten.

[Red.]

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