Neben Geldforderungen können durch die Verwaltung vertretbare und unvertretbare Handlungen des Pflichtigen vollstreckt werden, sog. Verwaltungszwang. Auch der Verwaltungszwang kann wie die Vollstreckung von Geldforderungen auf der Grundlage eines Verwaltungsakts oder eines öffentlich-rechtlichen Vertrags angewendet werden. Er ist ausnahmsweise ohne vorausgehenden Verwaltungsakt zulässig zur Verhinderung einer rechtswidrigen Tat, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht, oder zur Abwendung einer drohenden Gefahr, wenn die Behörde hierbei innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt (§ 6 Abs. 2 VwVG). Zu unterscheiden ist das mehraktige Vollstreckungsverfahren, bei dem der Vollstreckung eine Grundverfügung, also ein Verwaltungsakt, zugrunde liegt, von dem einaktigen Vollstreckungsverfahren, dem kein Verwaltungsakt vorangeht. Beim sofortigen Vollzug kann im Hinblick auf eine gegenwärtige Gefahrenlage der Erlass eines Verwaltungsakts und das darauf folgende Vollstreckungsverfahren nicht abgewartet werden, sondern ein sofortiges Handeln ist erforderlich. Der unmittelbare Zwang wird als Realakt gewertet, da weder eine Grundverfügung fingiert, noch aufgrund der Zwangsanwendung ein Verwaltungsakt erlassen wird (Herrlein, a.a.O., Rn 14 m.w.N. zum Streitstand).

Bei der Anwendung von Zwangsmitteln ist stets der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dabei ist das Zwangsmittel möglichst so zu bestimmen, dass der Betroffene und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt werden (§ 9 Abs. 2 VwVG). Von mehreren möglichen und geeigneten Mitteln muss das den Betroffenen am wenigsten belastende Mittel angewendet werden. Der sofortige Vollzug eines bestimmten Zwangsmittels kann dann nicht notwendig sein, wenn die Gefahr durch andere und zumutbare Mittel abgewendet werden kann als gerade durch den vorgenommenen Vollzug.

 

Praxishinweis:

Der Pflichtige kann jederzeit ein sog. Austauschmittel anbieten. Dabei handelt es sich um ein Zwangsmittel, das den Vollstreckungserfolg sicherstellt, ohne die Allgemeinheit stärker zu belasten.

Die Zwangsmittel müssen, wenn sie nicht sofort nach § 6 Abs. 2 VwVG angewendet werden können, schriftlich angedroht werden. Hierbei ist für die Erfüllung der Verpflichtung eine Frist zu bestimmen, innerhalb derer der Vollzug dem Pflichtigen billigerweise zugemutet werden kann (§ 13 Abs. 1 VwVG). Die Androhung muss sich auf ein bestimmtes Zwangsmittel beziehen. Unzulässig ist die gleichzeitige Androhung mehrerer Zwangsmittel und die Androhung, mit der sich die Vollzugsbehörde die Wahl zwischen mehreren Zwangsmitteln vorbehält (§ 13 Abs. 3 VwVG). Des Weiteren ist die Androhung zuzustellen. Dies gilt auch dann, wenn sie mit dem zugrunde liegenden Verwaltungsakt verbunden ist und für ihn keine Zustellung vorgeschrieben ist (§ 13 Abs. 7 VwVG).

Die Festsetzung und Anwendung der Zwangsmittel ist in den §§ 14, 15 VwVG geregelt. Wird die Verpflichtung innerhalb der Frist, die in der Androhung bestimmt ist, nicht erfüllt, so setzt die Vollzugsbehörde das Zwangsmittel fest. Bei sofortigem Vollzug (§ 6 Abs. 2 VwVG) fällt die Festsetzung weg. Das Zwangsmittel wird der Festsetzung gemäß angewendet. Leistet der Pflichtige bei der Ersatzvornahme oder bei unmittelbarem Zwang Widerstand, so kann dieser mit Gewalt gebrochen werden. Die Polizei hat auf Verlangen der Vollzugsbehörde Amtshilfe zu leisten. Der Vollzug ist einzustellen, sobald sein Zweck erreicht ist. Die Festsetzung ist im Gegensatz zur Anwendung ein Verwaltungsakt, die Anwendung hingegen ein Realakt.

Die Beantwortung der Frage, ob einem Zwangsmittel Beugekraft zukommt, verlangt eine Betrachtung des Zwangsmitteleinsatzes in seinem Gesamtzusammenhang, der sich aus Androhung, Festsetzung und Beitreibung zusammensetzt. Die zentrale Bedeutung als Beugemittel kommt dem Zwangsgeld hier im Stadium der Androhung zu. Demgegenüber erhalten die Festsetzung und schließlich auch die Beitreibung des Zwangsgelds ihre Beugekraft dadurch, dass sie im Rahmen der Zwangsmittelanwendung gewissermaßen die Konsequenz darstellen, die der vorangegangenen Androhung überhaupt erst ernstzunehmende Beugekraft verleiht (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 13.3.1996 – 2 L 60/95, juris Rn 29). Damit kommt der Zwangsgeldfestsetzung und -beitreibung in diesen Fällen eine zumindest mittelbare Beugefunktion zu, so dass sie auch nicht – wie der parallel erfolgte Erlass eines Bußgeldbescheids – auf eine insbesondere dem Gefahrenabwehrrecht nicht entsprechende Bestrafung oder Sanktionierung gerichtet sind (OVG NRW, Urt. v. 9.2.2012 – 5 A 2152/10, juris Rn 37; a.A. OVG Niedersachsen, Beschl. v. 23.4.2009 – 11 ME 478/08, juris Rn 42 ff. m.w.N.; Sadler, VwVG/VwZG, 9. Aufl. 2014, § 15 VwVG Rn 64 m.w.N.).

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