Auf ihrer diesjährigen Frühjahrskonferenz hatten die Justizminister der Länder (JuMiKo) vorgeschlagen, den Streitwert, bis zu dem die Amtsgerichte in Zivilsachen zuständig sind, zeitnah von derzeit 5.000 EUR auf zukünftig 8.000 EUR anzuheben. Zudem sollen unabhängig vom Streitwert Spezialzuständigkeiten bei den Amtsgerichten für Fluggastrechtesachen sowie Nachbarschaftsstreitigkeiten und bei den Landgerichten für Vergabesachen und für Streitigkeiten aus Heilbehandlungen sowie über Veröffentlichungen in den Medien geschaffen werden (vgl. dazu ZAP 2023, 515).

Anlass für den Vorschlag der JuMiKo ist der seit einiger Zeit zu beobachtende Rückgang der Eingänge bei den Amtsgerichten. In den letzten 30 Jahren seien diese um mehr als 40 % gesunken, was v.a. an der Inflation liege, argumentierte die JuMiKo. Um hier wieder zu einem ausgewogenen Verhältnis zwischen den Eingängen bei AGs und LGs zu kommen, bedürfe es der Anhebung der Streitwertgrenze sowie der Neuverteilung einiger Eingangszuständigkeiten.

Dies klingt auf den ersten Blick plausibel. Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat die Folgen einer solchen Streitwertveränderung genauer betrachtet und warnt vor einigen der möglichen Auswirkungen. Man stehe einer Anpassung des Zuständigkeitsstreitwerts aufgeschlossen gegenüber, schreibt die BRAK in einer Stellungnahme an das Bundesjustizministerium. Sie hätte jedoch erhebliche Auswirkungen auf die Justiz, die Anwaltschaft und auf Mandanten, warnt die Kammer.

Die BRAK weist zunächst darauf hin, dass eine Stärkung der Amtsgerichte gerade in ländlichen Regionen begrüßenswert sei, anderenorts aber zu einer Überlastung führen könne. Eine ausreichende Personalausstattung und mehr personelle Kontinuität in den einzelnen Verfahren hält sie daher für unabdingbar. Zudem sei zu bedenken, dass einige Landgerichte bereits jetzt nicht voll ausgelastet seien. Eine Schließung von Gerichtsstandorten wäre aus Sicht der BRAK auf keinen Fall hinnehmbar. Daher fordert sie eine differenzierte Betrachtung über das gesamte Bundesgebiet, insb. hinsichtlich strukturschwächerer Regionen.

Auch die Auswirkungen auf die Interessen der Mandantschaft müssten berücksichtigt werden. Die BRAK fordert, den bisherigen Wert für den sog. Postulationszwang, also den Wert, ab dem man sich vor Gericht anwaltlich vertreten lassen muss, beizubehalten. Denn Streitwerte über 5.000 EUR stellten gemessen am Durchschnittsverdienst von Vollzeitbeschäftigten ein erhebliches finanzielles Risiko dar. Der Anwaltszwang diene dem Schutz rechtsunkundiger Personen und stelle Waffengleichheit her.

Für die Anwaltschaft würde die geforderte Streitwertänderung nach Einschätzung der BRAK zu einem „spürbaren Verlust an Verfahren” führen. In Anbetracht der noch immer ausstehenden Erhöhung der Anwaltsgebühren und nach Verlusten während der Corona-Pandemie könne dies gerade für Anwältinnen und Anwälte auf dem Lande zu einem wirtschaftlichen Problem heranwachsen, das letztlich den Zugang zum Recht in der Fläche bedrohe.

Was die Einrichtung von streitwertunabhängigen Spezialzuständigkeiten bei den AGs angeht, empfiehlt die BRAK auch hier, „den Anwaltszwang mitzubedenken”. Einige Rechtsanwaltskammern sähen die Zersplitterung gerichtlicher Zuständigkeiten mit Sorge, gerade für nicht anwaltlich vertretene Rechtssuchende. Man solle deshalb bei jeder angedachten Spezialzuständigkeit gesondert prüfen, ob sie tatsächlich sachgerecht und erforderlich sei.

Angesichts dieser Nebenwirkungen einer Streitwertgrenzenänderung fordert die BRAK eine „sorgfältige Evaluation der Folgen”. Wegen der zu erwartenden Auswirkungen auf sämtliche Beteiligten müssten die Folgen einer neuen Zuständigkeitsverteilung vorab präzise untersucht werden.

[Quelle: BRAK]

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