7. Relative Schutzhindernisse (§ 9 MarkenG)
Während absolute Schutzhindernisse bereits die Eintragung einer Marke in das Register ausschließen (vgl. oben IV.5.), regeln die Vorschriften der §§ 9–13 MarkenG Kollisionstatbestände, die aus dem Aufeinandertreffen einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit prioritätsälteren Rechten (zur Bestimmung des Zeitrangs angemeldeter und eingetragener Marken vgl. § 6 Abs. 2 MarkenG) Dritter resultieren. Auf ein Recht mit älterem Zeitrang kann sich jedoch regelmäßig nur dessen Inhaber berufen, so dass sich daraus lediglich relative – zwischen den Beteiligten wirkende – Schutzhindernisse ergeben.
a) Identität der Marken und Waren oder Dienstleistungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG)
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG kann die Eintragung einer Marke gelöscht werden, wenn sie mit einer prioritätsälteren Marke identisch und für identische Waren oder Dienstleistungen angemeldet oder eingetragen worden ist. In derartigen Kollisionsfällen mit Doppelidentität, wie etwa bei einer Marken- oder Produktpiraterie (vgl. etwa BGH GRUR 2004, 860 – Internet-Versteigerung: Nachbildung von Rolex-Uhren), ist der Schutz der älteren Marke absolut, so dass es keiner Verwechslungsgefahr bedarf. Die Zeichenidentität erfordert grundsätzlich eine völlige Übereinstimmung der kollidierenden Zeichen, unschädlich sind aber so geringfügige Unterschiede, dass sie einem Durchschnittsverbraucher entgehen können (BGH GRUR 2015, 607 Rn 12 – Uhrenankauf im Internet: Identität trotz unterschiedlicher Groß- und Kleinschreibung; BGH GRUR 2015, 1009 Rn 16 – BMW-Emblem: keine Identität bei Farbunterschieden).
b) Identität oder Ähnlichkeit der Marken und Waren oder Dienstleistungen und Verwechslungsgefahr (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG)
Bei fehlender Identität der Marken und der Waren oder Dienstleistungen kann nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ein Schutzhindernis vorliegen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit der prioritätsjüngeren Marke mit einer angemeldeten oder eingetragenen älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der von beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden.
Eine Verwechslungsgefahr kann danach bei folgenden Konstellationen in Betracht kommen:
- Identität der prioritätsälteren und der prioritätsjüngeren Marke und Ähnlichkeit der durch die Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen;
- Ähnlichkeit der Marken und Identität der erfassten Waren oder Dienstleistungen;
- Ähnlichkeit der Marken und Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen.
aa) Allgemeine Beurteilungskriterien
Dabei ist nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH und des BGH von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. etwa EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rn 46; BGH GRUR 2018, 79 Rn 9 – OXFORD/Oxford Club). Fehlt eines der beiden Tatbestandsmerkmale der Marken- oder der Warenähnlichkeit gänzlich, so scheidet eine Verwechslungsgefahr aus (BGH GRUR 2014, 488 Rn 9 – DESPERADOS/DESPERADO).
Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Rahmen einer Gesamtabwägung ist es deshalb notwendig, den jeweiligen Grad der Ähnlichkeit der Marken (vgl. etwa BGH GRUR 2015, 1049 Rn 49 – IPS/ISP) oder der Waren oder Dienstleistungen (vgl. etwa BGH GRUR 2003, 1047, 1049 – Kellog‘s/Kelly’s) näher zu bestimmen.
Im Rahmen der Wechselwirkung ist zudem der ungeschriebene Faktor der Kennzeichnungskraft der älteren Marke zu berücksichtigen, weil eine Steigerung der Kennzeichnungskraft einen erweiterten Schutzumfang begründet (vgl. etwa BGH GRUR 2004, 779, 781 – Zwilling/Zweibrüder). Auch deren Grad ist deshalb näher zu bestimmen, und zwar bezogen auf die konkreten Waren oder Dienstleistungen, für die die ältere Marke eingetragen ist. Eine Marke kann deshalb für einzelne Waren oder Dienstleistungen über eine normale Kennzeichnungskraft verfügen, für andere etwa aufgrund intensiver Benutzung gerade (nur) für diese aber über eine erhöhte Kennzeichnungskraft oder aber auch für einzelne Waren oder Dienstleistungen kennzeichnungsschwach sein, etwa weil sie insoweit an eine beschreibende Angabe angelehnt ist (BPatG BeckRS 2019, 8774). Die Verwechslungsgefahr ist umso größer, je stärker sich die Kennzeichnungskraft der älteren Marke darstellt. Für die Bestimmung des Grades ist dabei maßgeblich, inwieweit sich die Marke dem Publikum aufgrund ihrer Eigenart und ihres ggf. durch Benutzung erlangten Bekanntheitsgrades als Produkt- und Leistungskennzeichnung einzuprägen vermag, so dass sie in Erinnerung behalten und wiedererkannt wird (vgl. etwa BPatG BeckRS 2019, 12452 Rn 18).
Die Verwechslungsgefahr muss „für das Publikum” (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG) bestehen, so dass es auf die Auffassung der beteiligten Verkehrskreise ankommt. Maßgeblich ist dabei die Sicht eines normal informierten, angemessen aufmerksamen un...