(EuGH, Urt. v. 29.6.2016 – C-486/14) • Ein Tatverdächtiger kann in einem Schengen-Staat erneut strafrechtlich verfolgt werden, wenn die frühere Strafverfolgung in einem anderen Schengen-Staat ohne eingehende Ermittlungen eingestellt worden ist. Die unterlassene Vernehmung des Geschädigten und eines möglichen Zeugen stellt ein Indiz für das Fehlen solcher Ermittlungen dar. Hinweis: Die Entscheidung betrifft den Fall eines Polen, dem vorgeworfen wird, in Hamburg eine schwere räuberische Erpressung begangen zu haben. Ein polnischer Staatsanwalt hatte, ohne selbst eingehende Ermittlungen vorzunehmen, ein Verfahren wegen dieser Tat eingestellt. Das reichte dem EuGH nicht, um Strafklageverbrauch anzunehmen: Die Anwendung des Grundsatzes ne bis in idem auf einen Einstellungsbeschluss, den die Justizbehörden eines Schengen-Staates ohne jede eingehende Prüfung des Tatgeschehens erlassen haben, liefe dem Zweck des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, der in der Bekämpfung der Kriminalität besteht, offensichtlich zuwider.

ZAP EN-Nr. 577/2016

ZAP F. 1, S. 792–792

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge