Das Jurastudium in seiner derzeitigen Form wird schon seit Jahrzehnten kritisiert. Es sei in seinem Konzept hoffnungslos veraltet, die Stofffülle sei unnötig hoch, insgesamt dauere das Studium viel zu lange und hänge völlig von den abschließenden Examensprüfungen ab, so die Kritiker. Immer wieder gab es in den vergangenen Jahren Vorstöße zu einer Reform, etwa zur Integration eines Bachelor-Abschlusses ins Studium (vgl. zuletzt dazu ZAP 2023, 7).

Geschehen ist allerdings wenig. Das einzige größere Reformprojekt der letzten Jahrzehnte, die sog. einstufige Juristenausbildung, konnte sich am Ende nicht durchsetzen. Erst 2013 stellte der Wissenschaftsrat der juristischen Ausbildung wieder ein vernichtendes Zeugnis aus und eine kürzlich durchgeführte Umfrage des Bundesverbandes rechtswissenschaftlicher Fachschaften unter Studierenden der Rechtswissenschaft kam zu dem erschreckenden Ergebnis, dass zwei Drittel der Studierenden das Jurastudium mit Blick auf den psychischen Druck nicht weiterempfehlen würden.

Vor einigen Jahren hat sich deshalb ein Bündnis, gebildet aus Wissenschaftlern, Praktikern und Studierenden zusammengefunden, um den Reformbedarf konkret aufzuzeigen und die nötigen Reformschritte zu benennen. Unter der Kampagnenbezeichnung „iur.reform” hat das Bündnis zur Reform der juristischen Ausbildung e.V. die wohl größte Untersuchung zur juristischen Ausbildung in der Geschichte der Bundesrepublik durchgeführt. Die jetzt vorgelegte Studie basiert auf den Ergebnissen einer Abstimmung über eine Reihe von Vorschlägen, die von Januar bis Juli vergangenen Jahres durchgeführt wurde und an der 11.842 Personen teilgenommen haben, darunter Studierende, Referendare, Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte und Mitarbeiter der Justizprüfungsämter. Grundlage der Abstimmung waren 43 Thesen, die ihrerseits aus einer Auswertung von über 200 Beiträgen in Fachzeitschriften und Artikeln aus den Jahren 2000 bis 2020 stammen; diese Thesen wurden gewählt, weil sie im Schrifttum am häufigsten diskutiert wurden.

Aus den Abstimmungsergebnissen leiten die Initiatoren der Studie die vordringlichsten Wünsche der Teilnehmer und demzufolge auch die Vorschläge für Reformen auf Bundes-, Landes- und universitärer Ebene ab. Im Hinblick auf einzelne Vorschläge schlagen sie sogar „politische Sofortprogramme” vor, über die die juristische Ausbildung entsprechend eines Baukastensystems an vielen einzelnen Stellen angepasst werden könnte. Als wichtigste Maßnahme wurde die Umsetzung folgender sechs Punkte aufgezeigt:

  1. Eine unabhängige Zweitkorrektur der schriftlichen Examensprüfungen, bei der der Zweitkorrektor nicht die Benotung des Erstkorrektors kennt, sowie die Einführung diverser Prüfungskommissionen in den mündlichen Examensprüfungen;
  2. verstärkte Zulassung anderer Prüfungs- und Unterrichtsformen abseits von Klausuren und Vorlesungen;
  3. Zulassung neuen Prüfungsstoffs nur bei Streichung von bestehendem Prüfungsstoff (one in, one out);
  4. einen kleineren Betreuungsschlüssel;
  5. das vollständige Ableisten der Examensklausuren an Computern;
  6. Einführung eines regelmäßigen Monitorings im Hinblick auf den Reformbedarf der juristischen Ausbildung.

Die in letzter Zeit vielleicht am intensivsten diskutierte Einführung eines ins Studium integrierten Bachelor-Abschlusses, der Studierende davor bewahren könnte, nach vielen Semestern am Ende ohne jeden Abschluss dazustehen, wurde ebenfalls von einer breiten Mehrheit unter den Umfrageteilnehmern befürwortet; allerdings konnte in der Gruppe der Richter und der Mitarbeiter der Prüfungsämter keine Mehrheit erreicht werden, sodass der Vorschlag am Ende zumindest nicht in die Liste der Sofortprogramme aufgenommen wurde. Eine Wiederaufnahme der einstufigen Juristischen Ausbildung erhielt zwar von denjenigen, die sie selbst durchlaufen haben, ein klares Votum; insgesamt konnte sie aber keine Mehrheit erreichen. Auch eine Umstellung auf eine laufbahnorientierte Ausbildung wurde mehrheitlich nicht befürwortet. Erstaunlich erscheint, dass auch der sog. Freischuss – den es derzeit in einigen Ländern gibt – abgelehnt wurde.

Die Ergebnisse der umfangreichen Studie seien eine „solide Datengrundlage”, betonen die Initiatoren. Auf dieser Basis müsse nun eine gemeinsame Diskussion über die Zukunft der juristischen Ausbildung ansetzen. Die vollständige 860-seitige iur.reform-Studie kann unter https://iurreform.de/ eingesehen und heruntergeladen werden.

Die Bundesrechtsanwaltskammer und der Deutsche Anwaltverein haben die Studie mit Besorgnis zur Kenntnis genommen. Ein gut ausgebildeter juristischer Nachwuchs sei unerlässlich für den Rechtsstandort Deutschland, bekräftigten beide Organisationen unisono. Die BRAK stellte im Anschluss an die Ergebnisse der iur.reform-Kampagne bereits eigene Anforderungen an die künftige Juristenausbildung auf, u.a. dass am Einheitsjuristen festzuhalten sei und ein ins Studium integrierter Bachelor-Abschluss mit einer echten Prüfungsleistung verbunden sein müsse.

[Quellen: iur.reform/BRAK/DAV]

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