Die vom OLG Karlsruhe vertretene Auffassung setzt sich bei den OLG immer mehr durch. Dabei kann sich der Verfahrensbevollmächtigte auch auf folgende Argumente stützen:

a) Gesetzessystematik

Der Ansatz des vollen Hauptsachewertes auch in Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, in denen es um Zahlungsansprüche geht, entspricht der Gesetzessystematik. Der Gesetzgeber geht in § 35 FamGKG zunächst davon aus, dass sich der Verfahrenswert in Verfahren, in denen es um eine bezifferte Geldforderung geht, nach deren Höhe bestimmt, soweit nichts anderes bestimmt ist. Dies erschließt zwar den Anwendungsbereich des § 41 FamGKG, der die Ermäßigung im Verfahren der einstweiligen Anordnung nur "in der Regel" anordnet. Dies wird mit der "Berücksichtigung der geringeren Bedeutung (der einstweiligen Anordnung) gegenüber der Hauptsache" begründet. Kommt somit dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keine geringere Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu, kommt eine Ermäßigung des Verfahrenswertes auf die Hälfte des entsprechenden Hauptsachebetrags auch nicht in Betracht.

b) Auswirkungen auf die Anwaltsvergütung

Die Festsetzung des für die Gerichtsgebühren des einstweiligen Anordnungsverfahrens maßgeblichen Verfahrenswertes hat gem. § 32 Abs. 1 RVG auch Auswirkungen auf die Berechnung der Anwaltsgebühren. Setzt nämlich das FamG den Verfahrenswert nach § 41 S. 2 FamGKG auf den halben Verfahrenskostenvorschussbetrag fest, berechnen sich auch die Gebühren der Verfahrensbevollmächtigten nur nach einem entsprechend geringeren Gegenstandswert. Im Fall des OLG Karlsruhe können die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten nach einem Gegenstandswert von 9.582,48 EUR eine 1,3 Verfahrensgebühr i.H.v. 725,40 EUR berechnen. Demgegenüber wäre nach dem halben Hauptsachewert von 4.791,24 EUR nur eine 1,3 Verfahrensgebühr i.H.v. 393,90 EUR angefallen. Die Ermäßigung des Verfahrenswertes auf den halben Hauptsachebetrag wäre aber aus folgenden Gründen für die Rechtsanwälte nicht gerechtfertigt:

aa) Arbeitsaufwand ist nicht geringer

Der Arbeitsaufwand und die anwaltliche Verantwortung für ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses sind nämlich nicht geringer als für einen entsprechenden Hauptsacheantrag. In beiden Verfahren muss der Antragsteller die gesetzlichen Voraussetzungen des Vorschussanspruchs nach § 1360a Abs. 4 BGB vortragen und die Zusammensetzung des begehrten Vorschussbetrags im Einzelnen darlegen.

bb) Regressgefahr ist eher höher

Wenn in dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Zahlung eines Vorschusskostenbetrags entgegen § 49 Abs. 1 FamFG regelmäßig nicht auch das dringende Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden des Gerichts dargelegt werden muss (s. § 246 Abs. 1 FamFG), unterscheidet sich der Arbeitsaufwand des Verfahrensbevollmächtigten im einstweiligen Anordnungsverfahren einerseits und im entsprechenden Hauptsacheverfahren andererseits kaum. Hinsichtlich der Haftung des Rechtsanwalts ergeben sich überhaupt keine Unterschiede. Im Gegenteil ist die Regressgefahr für den Verfahrensbevollmächtigten höher als im Hauptsacheverfahren, weil Fehler des Rechtsanwalts wegen der gem. § 57 S. 1 FamFG grundsätzlichen Unanfechtbarkeit der im einstweiligen Anordnungsverfahren ergangenen Entscheidung nicht im Rechtsbehelfsverfahren behoben werden können.

cc) Grundsätzlich keine Terminsgebühr

Außerdem beraumt das FamG im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschussbetrags einen Termin zur mündlichen Verhandlung gem. § 246 Abs. 2 FamFG ausnahmsweise nur dann an, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts oder für eine gütliche Einigung des Verfahrens geboten erscheint, was meist nicht der Fall ist. Damit hat der Verfahrensbevollmächtigte in einstweiligen Anordnungsverfahren kaum einmal die Möglichkeit, neben der 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG noch für die Wahrnehmung eines Verhandlungstermins eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG zu verdienen.

dd) Geringerer Arbeitsaufwand des Gerichts

Demgegenüber ist der Arbeitsaufwand des Familienrichters im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses im Regelfall geringer als bei Durchführung eines entsprechenden Hauptsacheverfahrens. Regelmäßig erspart sich der Richter die Durchführung einer sonst in der Hauptsache erforderlichen mündlichen Verhandlung. Außerdem fällt die Begründung einer einstweiligen Anordnung meist kürzer aus als in einer entsprechenden Hauptsacheentscheidung. Dies mag die Herabsetzung des Verfahrenswertes auf die Hälfte des Hauptsachebetrags rechtfertigen, soweit es die Berechnung der gerichtlichen Verfahrensgebühr angeht. Die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten werden jedoch durch die Anknüpfung des Gegenstandswertes an den für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Verfahrenswert bestraft.

ee) Zeitpunkt der Wertberechnung

Ob das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung tatsächlich gegenüber einem entsprechenden Hauptsacheverfahren eine geringere Bedeutung hat, steht manchmal erst nach Beendigung des Verfahrens fest. Demgegenüber stellt § 34 S. 1 FamGKG für die Wertberechnung grundsätzlich auf den Zeitpunkt ...

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