Das Ruhrgebiet wird immer mehr zum Tagungsort für Juristen. Nach dem 71. Deutschen Juristentag im September 2016 fand nunmehr auch der 68. Deutsche Anwaltstag 2017 in Essen statt.

Das Thema diesmal: "Innovationen und Legal Tech". Rund 1.700 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nutzten das Fortbildungsangebot des Deutschen Anwaltvereins (DAV) und nutzten die Pausen, sich auf der Fachmesse "AdvoTec" über neue technische Möglichkeiten zu informieren. Auf die Vielzahl der fachlichen Veranstaltungen kann nicht vertieft eingegangen werden, sie ist beeindruckend.

Hervorzuheben ist die ausgesprochene interessante Eröffnungsveranstaltung: DAV-Präsident Ulrich Schellenberg ging zunächst auf neue wirtschaftliche Entwicklungen ein und verdeutlichte, dass kein Marktteilnehmer, auch kein Rechtsanwalt, sicher sein könne, dass sein Geschäftsmodell auf Dauer Bestand haben werde. Als Beispiel nannte er einen russischen Softwareentwickler, der mit seinem "Blockchain" einen virtuellen Nachweis für Transaktionen im Internet entwickelt habe. Es handele sich um ein internetbasiertes, dezentrales Buchhaltungssystem, in dem z.B. alle Übertragungen der Internetwährung "Bitcoin" zuverlässig, fälschungssicher und für alle jederzeit überprüfbar aufgezeichnet werden können. Funktioniere dies wirklich, könnten Banken bald überflüssig sein, so Schellenberg. Übertragungen von Vermögenswerten würden durch die Anwender selber dokumentiert – dies gelte nicht nur für Bitcoins, sondern auch für Vermögenswerte wie Autos, Häuser oder Aktien.

Was bedeutet der technische Fortschritt für die Anwaltschaft? Wie wird sich der Markt für Rechtsdienstleistungen, der rund 19 Milliarden Euro beträgt, verändern? Rechtsanwälte werden sich von manchen Routinen verabschieden müssen, die andere Anbieter besser und günstiger anbieten können. Zudem stelle Legal Tech unser Wissensmonopol in Frage, urteilte Schellenberg. Die moderne Technik könne bereits jetzt Verträge und Testamente nach individuellen Vorgaben erstellen, auch wenn dies viele noch nicht wahrhaben wollten. Daher müsse sich die Anwaltschaft auf ihre eigentlichen Stärken besinnen: das Expertenwissen und das besondere Vertrauensverhältnis zu ihren Mandanten und hier gerade auch der Schutz der Daten.

In Bezug auf das besondere elektronische Anwaltspostfach forderte Schellenberg einen unabhängigen Fachbeirat, um eine dauerhafte Qualitätskontrolle zu ermöglichen. Man darf gespannt sein, ob es diesen geben wird.

Im Zeichen des Internets stand auch die Rede von Justizminister Heiko Maas. Er erläuterte und verteidigte mit viel Engagement sein "Netzwerkdurchsetzungsgesetz", das – mit Verlaub gesagt – nur die Wahl zwischen Pest und Cholera ist, was aus vielen Diskussionen auf dem Deutschen Anwaltstag immer wieder deutlich herauszuhören war. Auf der einen Seite stehe der Anspruch des Betroffenen, strafbare Äußerungen rasch zu unterbinden. Weil die Justiz dies nicht in hinreichender Zeit schaffe, stelle der Weg über den Anbieter dafür einen guten Ansatzpunkt dar. Auf der anderen Seite drohe Zensurgefahr, wenn durch Androhung von Bußgeldern etc. erlaubte Meinungsäußerung zu rasch gestoppt würde. Hier entwickelt sich eine Auseinandersetzung, in der es schwierig sein wird, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden.

In seinem anschaulichen Festvortrag schilderte Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie und ehemaliger Vorstandsvorsitzender der DATEV, die digitale Transformation aus Sicht der Industrie – immer verbunden mit dem Blick auf die Anwaltschaft. Zwei Schlaglichter bleiben in Erinnerung: Erstens: Seine Warnung, die Geschwindigkeit der technischen Entwicklung nicht zu unterschätzen, da diese nicht linear verlaufe, sondern sich potenziere. Zweitens: Kritik übte Kempf an den Neuregelungen zum Datenschutz: Die Aufrechterhaltung des Grundsatzes der Datensparsamkeit sei heute nicht mehr zeitgemäß. Notwendig sei ein Wechsel zur "Datensouvernität" – die Freiheit mit Daten souverän umzugehen.

Weitere Schlaglichter des Deutschen Anwaltstags:

Berufsrecht I: Nach der Verkündung der kleinen BRAO-Novelle am 17.5.2017 im Bundesgesetzblatt gingen die Überlegungen der Berufsrechtler auf dem Deutschen Anwaltstag schon weiter. Wie zu hören ist, arbeitet das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bereits an einem Eckpunktepapier zur Neuregelung des anwaltlichen Gesellschaftsrechts. Soll es ein Kanzleiregister geben? Mit wem dürfen sich nach der Entscheidung des BVerfG zum Zusammenschluss von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern nunmehr die Anwälte noch in einer Sozietät zusammenschließen? Muss darüber nachgedacht werden, ob es eine berufsrechtliche Verantwortung für die Kanzlei selber geben muss? Dieses Eckpunktepapier darf mit Spannung erwartet werden.

Berufsrecht II: Neue Geschäftsmodelle sind spannend. Doch hat man manchmal den Eindruck, dass es gut wäre, vorher zu prüfen, was erlaubt ist und was nicht. So bestehen berufsrechtliche Bedenken, ob der Vermittler von Aufträgen an Anwälte eine...

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