Die Entziehung der Fahrerlaubnis setzt neben dem dringenden Tatverdacht weiter voraus, dass sich aus der Tat ergibt, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist, § 69 Abs. 1 S. 1 StGB.

Ungeeignetheit liegt vor, wenn eine Würdigung der körperlichen, geistigen oder charakterlichen Voraussetzungen des Täters und der sie wesentlich bestimmenden objektiven und subjektiven Umstände ergibt, dass seine Teilnahme am Kraftfahrzeugverkehr zu einer nicht hinnehmbaren Gefährdung der Verkehrssicherheit führen würde (BGH NStZ 2004, 144).

 

Hinweis:

In der strafgerichtlichen Praxis kommen in erster Linie die charakterlichen Mängel in Betracht. Körperliche oder geistige Mängel sind eher im verwaltungsrechtlichen Verfahren im Rahmen der Prüfung der §§ 2 Abs. 4, 3 Abs. 1 StVG von Bedeutung.

1. Regelbeispiele des § 69a Abs. 2 StGB

§ 69 Abs. 2 StGB zählt vier Katalogtaten auf. Fällt die Tat hierunter, so ist der Täter i.d.R. als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen.

a) Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315c StGB

§ 315c Abs. 1 StGB erfasst in Nr. 1 das Führen eines Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr im Zustand der Fahruntüchtigkeit und in Nr. 2 insgesamt sieben abstrakt besonders gefährliche Verkehrsverstöße. Kommt eine dieser "sieben Todsünden" in Betracht, muss hinzukommen, dass der Täter grob verkehrswidrig und rücksichtslos handelte.

Grob verkehrswidrig ist ein besonders schwerer und gefährlicher Verstoß gegen eine Verkehrsvorschrift. Rücksichtslos handelt, wer sich im Straßenverkehr aus eigensüchtigen Gründen über seine Pflichten gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern hinwegsetzt oder wer aus Gleichgültigkeit von vornherein Bedenken gegen sein Verhalten nicht aufkommen lässt und unbekümmert über die Folgen seines Verhaltens drauflosfährt (König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 315c StGB, Rn 23, 24 m.w.N.).

 

Hinweis:

Die Umstände, aus denen sich grobe Verkehrswidrigkeit und Rücksichtslosigkeit ergeben, hat das Gericht nachvollziehbar darzulegen. Hieran fehlt es nicht selten in Urteilen, aber auch in Beschlüssen gem. § 111a StPO.

Insbesondere wird oftmals verkannt, dass das äußere Tatgeschehen alleine für die Beurteilung der Rücksichtslosigkeit nicht ausreicht, sondern es auf die konkrete Verkehrssituation unter Einschluss der Vorstellungs- und Motivlage des Täters ankommt (Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 315c, Rn 14a). Es darf mithin nicht, was immer wieder vorkommt, der automatische Rückschluss gezogen werden, dass jemand, dem ein grober Fahrfehler unterläuft, stets auch rücksichtlos i.S.d. § 315c StGB handelt. Ein Augenblicksversagen oder eine bloß vorübergehende Gedankenlosigkeit genügen für sich alleine ebenso wenig für die Annahme rücksichtslosen Verhaltens wie eine Verkennung der Verkehrssituation oder eine falsche Einschätzung der Straßenverhältnisse.

Weitere Strafbarkeitsvoraussetzung ist eine (bei tatsächlichem Schadenseintritt immer zu bejahende) konkrete Gefahr für Leib und Leben einer anderen Person oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert. Die Wertgrenze liegt hier bei 750 EUR (Fischer, a.a.O., § 315c, Rn 15).

 

Hinweis:

Auch an dieser Stelle wird in der Praxis manches Mal "zu kurz gesprungen" und aus dem verkehrswidrigen Verhalten unmittelbar eine Gefahrenlage abgeleitet. Eine bloß abstrakte, jedem Verkehrsverstoß innewohnende Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer oder Sachwerte genügt aber gerade nicht. Ebenso wenig ist die Feststellung ausreichend, der Schadenseintritt sei wahrscheinlicher als sein Ausbleiben.

Erforderlich ist nach der Rechtsprechung des BGH vielmehr ein sog. Beinahe-Unfall, mithin eine Situation, in der es bei Würdigung der Einzelfallumstände im Rahmen einer objektiven nachträglichen Prognose rückblickend "gerade noch einmal gutgegangen" ist und in der es nur noch vom Zufall abhing, ob es zu einer Rechtsgutverletzung kommt oder nicht (BGH NStZ 2010, 572). Ist die Situation dagegen beherrschbar geblieben, liegt eine konkrete Gefahr i.S.d. § 315c StGB nicht vor.

b) Trunkenheit im Verkehr, § 316 StGB

Die wohl häufigste Anlasstat für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist die Trunkenheit im Verkehr. Die Verteidigung gestaltet sich hier oftmals schwierig, vor allem wenn der Beschuldigte, wie häufig, im öffentlichen Verkehrsraum im Rahmen einer Verkehrskontrolle von der Polizei angehalten und die Alkoholisierung durch eine Blutprobe festgestellt ist.

aa) Richtervorbehalt

§ 81a Abs. 1 S. 2 StPO verlangt für die Blutentnahme einer Blutprobe eine richterliche Anordnung. Eine Anordnung durch die Staatsanwaltschaft (StA) oder die Polizei ist nur bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung (= "Gefahr im Verzug") zulässig. Die Strafverfolgungsbehörden sind deshalb grundsätzlich verpflichtet, zunächst die Einholung einer richterlichen Entscheidung zu versuchen, ehe sie selbst die Blutprobe anordnen. Dies gilt jedoch nicht, wenn – etwa zur Nachtzeit – ein richterlicher Bereitschaftsdienst nicht eingerichtet ist (vgl. BVerfG StraFo 2011, 145).

 

Hinweis:

Lehnt der Richter, etwa im nächtlichen Bereitschaftsdienst, die telefonisch beantragte Blutentnahme ausschließlich mit d...

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