Insbesondere in Umfangsverfahren, die aufgrund der Vielzahl der Hauptverhandlungstage auch für einen Pflichtverteidiger wirtschaftlich lukrativ sind und in Verfahren mit hohem Öffentlichkeitsinteresse kommt es immer wieder vor, dass von Rechtsanwälten der Versuch unternommen wird, ordnungsgemäß bestellte Kollegen aus dem Pflichtmandat hinauszudrängen. Dabei wird meist dergestalt vorgegangen, dass zunächst die Übernahme eines Wahlmandats angezeigt und hierdurch die Entpflichtung des bisherigen Pflichtverteidigers gem. § 143 StPO bewirkt wird. Unmittelbar im Anschluss, manchmal sogar bereits bei der erstmaligen Anzeige der Vertretung des Angeklagten (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 26.1.2006 – 2 Ws 30/06) wird dann das Wahlmandat niedergelegt bzw. die Niederlegung angekündigt und die eigene Beiordnung beantragt.

Eine Entpflichtung des bisherigen Verteidigers erfolgt aber nur dann, wenn die Verteidigung durch den Wahlverteidiger während des gesamten Verfahrens sichergestellt ist. Steht dagegen von vornherein fest, dass der Wahlverteidiger sein Mandat alsbald niederlegen wird und die Bevollmächtigung des Wahlverteidigers nur erfolgt, um die Entbindung des bisherigen Verteidigers nach § 143 StPO zu erzwingen oder ist dies wegen Mittellosigkeit des Angeklagten zu erwarten, so ist die Bestellung des Pflichtverteidigers aufrecht zu erhalten (OLG Celle NStZ-RR 2010, 381). Kommt es dennoch zu einer Entpflichtung des "alten" Verteidigers und legt daraufhin der vermeintliche Wahlverteidiger das Mandant nieder, so ist nicht dieser, sondern regelmäßig der frühere Pflichtverteidiger erneut zu bestellen (BGH StraFo 2008, 505).

 

Hinweis:

Diese Rechtsprechung wird insbesondere bei Mittellosigkeit des Angeklagten oftmals auch dem neu eintretenden Wahlverteidiger, der nicht auf ein missbräuchliches Hinausdrängen des Pflichtverteidigers abzielt, entgegengehalten werden, wenn er auf § 143 StPO hinweist. Teils wird in der Rechtsprechung sogar vertreten, selbst durch eine Erklärung des Wahlverteidigers, dass alle bislang angefallenen Vergütungen gezahlt worden seien, werde die ernsthafte Befürchtung, dass er zukünftig angesichts der Mittellosigkeit des Angeklagten das Mandat niederlegen werde und letztlich erstrebe, selbst als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden, nicht ausgeräumt (OLG Oldenburg NStZ-RR 2009, 115). Dem wird man jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht folgen können. Erklärt der Verteidiger, er habe seine Vergütung bereits erhalten und werde in der Hauptverhandlung auftreten, besteht kein Grund zu der Annahme, die Verteidigung sei nicht gesichert (BGH NStZ 2014, 660 für einen voraussichtlich nur eintägige Hauptverhandlung).

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