Das LG Oldenburg (Urt. v. 13.11.2018 – 15 O 1335/18) hatte über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Eine Händlerin hatte auf einer Internetplattform ein Petticoatkleid u.a. mit den üblichen Standardgrößenbezeichnungen präsentiert, ohne über das Widerrufsrecht zu belehren und ohne ein Musterwiderrufsformular vorzuhalten. Auf die Abmahnung eines Verbands hin verteidigte die Beklagte sich damit, dass die von ihr präsentierten Modelle stets "gesondert zugeschnitten" seien und angepasst würden. Sie bezeichne sich als "Bühnenmaßschneiderin". Aufgrund dessen berief sie sich auf die Ausnahmevorschrift des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB, wonach das Widerrufsrecht nicht bei Verträgen "zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind," besteht. Das LG Oldenburg sah dies anders und verurteilte die Beklagte zur Unterlassung von Warenpräsentationen, bei denen eine Widerrufsbelehrung sowie ein Muster-Widerrufsformular fehlen. Das Gericht führte insofern aus: "Zwar bietet die Beklagte in der streitbefangenen Anzeige ein nach Maßangaben des Käufers hergestelltes bzw. herzustellendes Kleid an, aber nicht ausschließlich. Denn unter der Rubrik "weitere Merkmale – Größe" ist vorgesehen, dass neben "individuell angefertigt", auch ein Kleid der Größen S, M, L, XL und XXL bestellt werden kann. Hierbei handelt es sich um Standardgrößen, mithin nicht um maßgeschneiderte Erzeugnisse. Ob das Produkt betreffend Standardgrößen von der Beklagten vorgehalten wird, oder erst auf Bestellung des Kunden gefertigt wird, ist unerheblich." Dieselbe Ausnahmevorschrift war auch Gegenstand eines Verfahrens vor dem LG Stuttgart (Beschl. v. 27.8.2018 – 36 O 53/18 KfH). Ein Händler hatte online eine "Hausordnung mit deinem Namen DinA4/DinA3 (...) individualisierbar" angeboten. Eine Individualisierung der Hausordnung konnte erst nach Abschluss des Kaufvertrags stattfinden. Auch in diesem Falle ließ das Gericht die Auffassung des Händlers, es handele sich um eine nach Kundenspezifikationen präsentierte Ware, nicht gelten und erließ antragsgemäß eine Verbotsverfügung. Wird eine Ware erst nach Kaufvertragsabschluss infolge eines Kundenwunschs individualisiert, liegt nach Ansicht des LG Stuttgart damit ebenfalls kein Ausschluss vom Widerrufsrecht wegen erfolgter Kundenspezifikation vor. Hinweis: Wer ausschließlich individualisierte Waren vertreiben will, sollte sowohl in seiner Werbung als auch in seinen Angeboten jeden Eindruck einer Standardisierung seiner Produkte vermeiden und die Individualisierung, soweit möglich, auch schon vor dem Vertragsabschluss durchführen.

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