Auf folgenden gebührenrechtlichen Aspekt soll im Zusammenhang mit der notwendigen Verteidigung wegen Inhaftierung des Beschuldigten hingewiesen werden.

Nach Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG entstehen die Gebühren des Rechtsanwalts mit einem Zuschlag, wenn sich der Mandant nicht auf freiem Fuß befindet. Die Voraussetzungen für diesen Haftzuschlag müssen aber nicht schon beim Entstehen der jeweiligen Gebühr, für die der Zuschlag bestimmt ist, vorliegen (KG RVGprofessionell 2007, 41). Da der Zuschlag die durch die Inhaftierung entstehenden Erschwernisse abgelten soll, ist entscheidend, dass der Mandant in dem Zeitraum, der durch die geltend gemachte Gebühr abgegolten werden soll, überhaupt irgendwann inhaftiert war (vgl. KG a.a.O.; LG Köln, Beschl. v. 28.2.2014 – 117 AR 8/13). Ob er schon bei Auftragserteilung inhaftiert war, ist unerheblich (KG a.a.O., für die Grundgebühr, wenn das erste Informationsgespräch nicht zeitnah zur Auftragserteilung erfolgt ist; offen gelassen von LG Köln, Beschl. v. 28.2.2014 – 117 AR 8/13). Wird der Mandant nachträglich inhaftiert, hat das aber auf das Entstehen des Haftzuschlags für Gebühren, die für bereits abgeschlossene Verfahrensabschnitte anfallen, keinen Einfluss (mehr) (insoweit zutreffend LG Offenburg NStZ-RR 2006, 358 = RVGreport 2006, 350 = AGS 2006, 436). Das bedeutet, dass z.B. die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren mit Zuschlag entsteht, wenn der Mandant im Laufe des Ermittlungsverfahrens in Haft genommen wird. Der Zuschlag fällt auch nicht dadurch wieder weg, dass der Mandant dann später aus der Untersuchungshaft entlassen wird (Rechtsgedanke aus § 15 Abs. 4 RVG). Es kommt auch nicht darauf an, ob tatsächlich Erschwernisse entstanden sind (KG RVGreport 2007, 149; StraFo 2007, 483 = RVGreport 2007, 462 = StRR 2007, 359 = JurBüro 2007, 644; AGS 2008, 32; OLG Celle StraFo 2008, 443 = AGS 2008, 490 = StRR 2009, 38 = NStZ-RR 08, 392; OLG Hamm RVGreport 2009, 149 = StRR 2009, 39 m. zust. Anm. Burhoff; OLG Nürnberg AGS 2013, 15 = RVGreport 2013, 18 = StRR 2013, 39 = RVGprofessionell 2013, 27; Burhoff in: Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 22. Aufl. 2013, VV Vorb. 4 Rn 44).

Nicht "auf freiem Fuß" i.S.d. Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG befindet sich der Mandant, wenn der Haftbefehl vollstreckt wird und er sich in Untersuchungshaft befindet. Der Beschuldigte befindet sich aber auch "nicht auf freiem Fuß", wenn er (nur) nach §§ 127 Abs. 1, 127b StPO vorläufig festgenommen worden ist (KG StraFo 2006 472 = RVGreport 2006, 310 = AGS 2006, 545; StraFo 2007, 482 = RVGreport 2007, 463 = StRR 2007, 359 = AGS 2008, 31; AGS 2008, 32; AG Tiergarten AGS 2010, 73). Das hat mit der verfahrensrechtlichen Frage, dass der Haftbefehl noch nicht vollstreckt wird, nichts zu tun.

Für das Entstehen einer Zuschlagsgebühr ist es unerheblich, wie lange der Beschuldigte/Mandant sich nicht auf freiem Fuß befunden hat (KG RVGprofessionell 2007, 41; OLG Celle StraFo 2008, 443 = AGS 2008, 490 = StRR 2009, 38 = RVGreport 2009, 427; OLG Hamm RVGreport 2009, 149 = StRR 2009, 39; OLG Nürnberg AGS 2013, 15 = RVGreport 2013, 18 = StRR 2013, 39 = RVGprofessionell 2013, 27; AG Heilbronn AGS 2006, 516; AnwKomm-RVG/N. Schneider, RVG, 6. Aufl., VV Vorb. 4, Rn 51; Burhoff in: Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV Vorb. 4 Rn. 43).

Der Mandant muss sich schließlich nach allgemeiner Meinung nicht in der Sache in Haft befinden, wegen der ihn der Rechtsanwalt verteidigt (unter Aufgabe seiner früheren Rspr. in JurBüro 2005, 535 OLG Hamm RVGreport 2010, 27 = AGS 2010, 17; s.a. OLG Düsseldorf AGS 2011, 227 = JurBüro 2011, 197 = RVGreport 2011, 143 = RVGprofessionell 2011, 61; LG Bochum, Beschl. v. 10.6.2009 – 1 Qs 49/09, StRR 2009, 283 [LS] = RENOpraxis 2010, 57; Burhoff in: Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV Vorb. 4 Rn. 46; AnwKomm-RVG/N. Schneider, a.a.O., VV Vorb. 4 Rn. 50; a.A. AG Bochum AGS 2009, 325 = StRR 2009, 280). Das RVG geht davon aus, dass auch dann, wenn er sich in anderer Sache in (Untersuchungs-)Haft befindet, Erschwernisse für den Rechtsanwalt vorliegen, die die Anwendung der Zuschlagsgebühr rechtfertigen.

AUtor: Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

ZAP 12/2016, S. 651 – 660

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