Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG (Strafvollstreckung) können frühestens ab Rechtskraft des Urteils entstehen.

  • 2.

    Durch die (gerichtliche) Verfahrensgebühr werden gerade alle Tätigkeiten des Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren abgegolten, soweit dafür keine besonderen Gebühren (in diesem Abschnitt) vorgesehen sind. Tätigkeiten im Zusammenhang mit einer Haftbeschwerde sind mangels anderweitiger Einordnung als Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Untersuchungshaft bzw. Haftprüfung zu sehen, die auch im Katalog der Verfahrensgebühr erfasst sind.

  • 3.

    Die Terminsgebühr für die Hauptverhandlung entsteht auch dann mit Zuschlag, wenn in der Hauptverhandlung der Haftbefehl vor Rechtsmittelbelehrung verkündet wird, da diese noch zur Hauptverhandlung gehört.

 

Tenor

Unter Verwerfung der Beschwerde des Verteidigers wird der angefochtene Beschluss auf die Anschlussbeschwerde abgeändert:

Die nach dem Urteil der 1. großen Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Münster vom 4. Oktober 2006 aus der Staatskasse an den Pflichtverteidiger zu gewährende Vergütung wird auf 3.132,62 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Angeklagte ist durch Urteil der 1. großen Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Münster vom 4. Oktober 2006 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren 9 Monaten verurteilt worden. Das Verfahren ist im Übrigen hinsichtlich Ziffer 1 der konkretisierten Anklage wegen Vorliegens eines Verfahrenshindernisses auf Kosten der Staatskasse, die insofern auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat, eingestellt worden. Die übrigen Kosten des Verfahrens sind im Umfang der Verurteilung dem Angeklagten auferlegt worden. Durch Beschluss des Landgerichts Münster vom 20. Juni 2007 sind die Pflichtverteidigergebühren auf 3.427,26 EUR festgesetzt und weiter geltend gemachte Gebühren abgesetzt worden. Der sofortigen Beschwerde hat die Kammer - Einzelrichter - nicht abgeholfen. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel des Verteidigers, zu dem der Leiter des Dezernats 10 des Oberlandesgerichts Stellung genommen und zugleich unselbständige Anschlussbeschwerde erhoben hat, soweit mehr als 3.132,62 EUR festgesetzt worden sind.

II.

Das zulässige Rechtsmittel des Pflichtverteidigers hat keinen Erfolg. Auf die unselbständige Anschlussbeschwerde war die Pflichtverteidigervergütung auf 3.132,62 EUR herabzusetzen.

Der Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm hat in der Sache wie folgt Stellung genommen:

"Der Beschluss des Landgerichts Münster vom 30.10.2007 (Bd. III Bl. 812R) - abgesandt am 05.11.2007 - wurde dem Erinnerungsführer gegen EB am 12.11.2007 (Bd. III Bl. 816) zugestellt. Die sofortige Beschwerde ist am 16.11.2007 bei Gericht fristgerecht eingelegt worden (Bd. III Bl. 816 f.). Sie ist auch i.Ü. zulässig, m.E. nach den folgenden Ausführungen aber im Ergebnis ohne Erfolg.

I. Gebühren in der Strafvollstreckung:

Die angemeldeten Gebühren Nr. 4205 VV RVG (Bd. III Bl. 756) sind nicht entstanden.

Laut Sitzungsprotokoll vom 04.10.2006 wurde nach Verkündung des Urteils der Haftbefehl mit der Anordnung der Untersuchungshaft verkündet (Bd. III Bl. 516, 555 ff.). Der Verteidiger erhob am gleichen Tage Haftbeschwerde (Bd. III Bl. 584 f.), bevor er am 09.10.2006 Revision einlegte (Bd. III Bl. 586), die am 21.02.2007 durch den BGH als unbegründet verworfen wurde (Bd. III Bl. 746). Das erstinstanzliche Urteil wurde daher erst am 22.02.2007 rechtskräftig (Bd. III Bl. 598).

Teil 4 Abschnitt 2 VV, in dem die angemeldeten Gebühren enthalten sind, gilt für die Tätigkeit des Verteidigers in der Strafvollstreckung. Die Aufgaben in der Strafvollstreckung sind im ersten Abschnitt des 7. Buches der StPO unter dem Sammelbegriff "Strafvollstreckung" zusammengefasst (vgl. §§ 449 bis 463 d StPO). Erfasst wird daher die unter den Abschnitt "Strafvollstreckung" der StPO fallende Tätigkeit des Verteidigers. Strafvollstreckung bedeutet die Herbeiführung und Überwachung der Durchführung des Urteilsinhalts und beginnt daher frühestens ab Rechtskraft des Urteils, vgl. § 449 StPO (Burhoff (Hrsg.)/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, Vorbemerkung 4.2 Rn 3, 5, 8, Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 17. Aufl. VV 4200 - 4207 Rn 2, 4; Riedel/Sußbauer, RVG-Kommentar, 9. Aufl. VV Teil 4 Abschn. 2 Rn 2, 5).

Die Entscheidung der Anordnung der Untersuchungshaft, die Anlass für die Beschwerde des Rechtsanwalts war, ist daher auch nicht in dem unter Rn 4 der o.a. Fundstelle im Kommentar Burhoff/Volpert und in dem unter Rn 5 der o.a. Fundstelle im Kommentar Gerold/Schmidt enthaltenen Katalog von Maßnahmen und Anordnungen enthalten.

Anderslautende Meinungen aus Literatur und Rechtsprechung sind mir nicht bekannt. Die angemeldeten Gebühren sind somit m.E. für die ausweislich der Akten erfolgten Tätigkeiten nicht entstanden.

I.Ü. ist zu diesem Komplex auch den weiteren Ausführungen des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Münster bzw. den bereits ergangenen Entscheidungen beizupflichten.

Es bleibt m.E. auch kein Raum für die...

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