Leitsatz (amtlich)

Der für einen Zeugen als Zeugenbeistand tätige Rechtsanwalt rechnet seine Vergütung nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG ab. Das gilt auch für den beigeordneten Zeugenbeistand.

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Entscheidung vom 31.07.2007)

 

Tenor

Der Beschluss des Landgerichts Bochum vom 31. Juli 2007 wird aufgehoben.

Die Rechtsanwalt H., Bonn, aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung wird auf 829,79 EURO (in Worten: achthundertneunundzwanzig 79/100 EURO) festgesetzt.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Beim Landgericht Bochum ist gegen den Angeklagten ein Strafverfahren u.a. wegen Diebstahls anhängig. In diesem wurde Rechtsanwalt H. in der Hauptverhandlung vom 14. März 2007 dem inhaftierten Zeugen G. gem. § 68b StPO als Beistand beigeordnet. Rechtsanwalt H. hatte den Zeuge zuvor bereits in dem früher gegen den Zeugen selbst geführten Strafverfahren, welches sich mit dem gleichen Sachverhalt befasst hatte, als Pflichtverteidiger verteidigt. Nach dem Beiordnungsbeschluss wurde Rechtsanwalt H. "als Zeugenbeistand gem. § 68b Satz 1 StPO" beigeordnet. Die Vernehmung des Zeugen wurde am 14. März 1997 durchgeführt. Zuvor hatte sich Rechtsanwalt H. am 12. März 2007 als Zeugenbeistand bestellt und beantragt, seinen Mandanten als Zeugen abzuladen. Am gleichen Tag hat er mit dem Vorsitzenden der Strafkammer telefoniert und um Übersendung der dem Hauptverfahren gegen den Anklagten zugrunde liegenden Anklageschrift gebeten. Diese hat er am 13. März 2007 erhalten. Vor der Vernehmung des Zeugen hat Rechtsanwalt H. dann noch mit dem Vorsitzenden der Strafkammer, dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft und dem Zeugen in den Räumen der Vorführstelle die Sach- und Rechtslage umfassend erörtert.

Rechtsanwalt H. hat beantragt, die Gebühren für seine Tätigkeit als beigeordneter Zeugenbeistand nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG festzusetzen und hat die Festsetzung einer Grundgebühr Nr. 4100, 4101 VV RVG, einer Verfahrensgebühr Nr. 4112, 4113 VV RVG und einer Terminsgebühr Nr. 4114, 4115 VV RVG nebst Auslagen und Umsatzsteuer beantragt. Der Rechtspfleger ist nach Rücksprache mit dem Vorsitzenden der Strafkammer von einer Einzeltätigkeit ausgegangen und hat nur eine Gebühr nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG gemäß Ziffer 4301 Nr. 4 VV RVG nebst Auslagen und Umsatzsteuer über insgesamt 344, 27 EURO festgesetzt. Dem hat sich die Strafkammer im Erinnerungsverfahren mit angefochtenen Beschluss angeschlossen und im wesentlichen darauf abgestellt, dass Rechtsanwalt H. nur "für die Dauer der Vernehmung" beigeordnet worden sei. Er habe zudem den Zeugen bereits in dem gegen ihn geführten Verfahren als Verteidiger vertreten. Deshalb sei eine erhebliche zusätzliche Einarbeitung nicht erforderlich gewesen.

Hiergegen wendet sich Rechtsanwalt H. nunmehr mit der Beschwerde. Der Vertreter der Staatskasse hat beantragt diese zu verwerfen, da die Rechtsanwalt H. zustehende Vergütung zutreffend nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG festgesetzt worden sei.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Rechtsanwalt H. aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung ist nicht nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG sondern nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG festzusetzen.

1.

a)

Die Frage, ob die anwaltlichen Gebühren des in Strafsachen als Zeugenbeistand tätigen Rechtsanwalts ist, worauf der Vertreter der Staatskasse zutreffend verweist, in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Einig sind sich die unterschiedlichen Meinungen allerdings in der Frage, dass nach der ausdrücklichen Aufnahme auch der Tätigkeit des Zeugenbeistands in den Katalog des persönlichen Anwendungsbereichs des Teil 4 VV RVG in Vorbemerkung 4 Abs. 1 VV RVG der als Zeugenbeistand tätige Rechtsanwalt seine Tätigkeiten nach Teil 4 VV RVG abrechnet. Ob dafür auf Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG oder aber "nur" auf Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG zurückgegriffen wird, es sich also nur um eine Einzeltätigkeit handelt, ist allerdings zwischen den Gerichten, die sich bislang dazu geäußert haben, umstritten.

Für die Abrechnung nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG treten u.a. ein: KG (Beschluss v. 18. Januar 2007, 1 Ws 2/07 unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung, wie z.B. StraFo 2005, 439 = RVGreport 2005, 341; StraFo 2007, 41 = AGS 2006, 329), OLG Celle (Beschluss v. 21. Mai 2007, 1 Ws 195/07), OLG Dresden (Beschluss vom 15. Februar 2007, 1 Ws 28/07), OLG Frankfurt (Beschluss v. 26. Februar 2007. 5-1 BJs 333/85), OLG Oldenburg (StraFo 2006, 130 = RVGreport 2006, 107), (auch noch) OLG Schleswig (NStZ-RR 2006, 255) sowie u.a. LG Berlin (Beschl. v. 23. Oktober 2006, (514) 83 Js 153/04 KLs 1/06), LG Bochum (Beschluss v. 22. Dezember 2006, 1 KLs 46 Js 77/05), LG Osnabrück (Beschl. v. 11. Oktober 2005, 3 KLs 30/04), und AG Lingen (AGS 2006, 175) sowie schließlich auch der hiesige 3. Strafsenat in einem nicht näher begründeten Beschluss vom 17. Juli 2007 in 3 Ws 307/07) sowie der hiesige 1. Strafsenat in den Beschlüssen vom 23. Oktober 2007 in 1 ...

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