I. Vorbemerkung

Am 1.4.2016 ist das Gesetz über alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen (Verbraucherstreitbeilegungsgesetz – VSBG, BGBl I, S. 254) vom 19.2.2016 und die Verbraucherstreitbeilegungs-Informationspflichtenverordnung (VSBInfoV, BGBl I, S. 326) in Kraft getreten. Damit ist die EU-Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (ADR-RL) ins deutsche Recht umgesetzt worden, womit eine verfahrensrechtliche europaweite Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten zur Schaffung eines größtmöglichen Zugangs des Verbrauchers zum Recht erreicht werden soll.

 

Literaturhinweis:

Ausführlich hierzu Ring, Das neue Verbraucherstreitbeilegungsgesetz in der anwaltlichen Praxis, 2016.

II. Verfahren zur außergerichtlichen bzw. alternativen Streitbeilegung

Unter einem Verfahren zur außergerichtlichen bzw. alternativen Streitbeilegung ist im Unterschied zu einer (i.d.R. durch Kulanz gekennzeichneten) Konfliktregulierung, die allein zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher stattfindet, ein solches zu verstehen, das unter Einschaltung eines neutralen Dritten (außerhalb eines förmlichen Gerichtsverfahrens) den Einigungsversuch der Parteien in einem strukturierten Prozess (z.B. einer Vermittlung oder Mediation) unterstützt. Dabei wird entweder eine Lösung vorgeschlagen, Schlichtung, oder sogar entschieden, Schiedsverfahren durchzuführen (Ring, § 2 Rn 2). Nach § 5 Abs. 2 VSBG darf die Verbraucherschlichtungsstelle (VS-Stelle) jedoch keine Konfliktbeilegungsverfahren durchführen, die dem Verbraucher eine verbindliche Lösung auferlegen oder sein Recht ausschließen, die Gerichte anzurufen. Der Gesetzgeber begreift Schlichtung als niedrigschwelliges, einfaches, schnelles und kostengünstiges Alternativangebot zum Rechtsweg vor den staatlichen Gerichten (Art. 1 ADR-RL, Angebot unabhängiger, unparteiischer, transparenter, effektiver, schneller und fairer Streitbeilegungsverfahren [SB-Verfahren] im weiteren Sinne).

Die Teilnahme an einem SB-Verfahren ist für den Unternehmer grundsätzlich freiwillig. Etwas anderes gilt im Falle branchenspezifischer Streitschlichtungsverfahren (vgl. IV. 1.).

III. Anwendungsbereich

Das VSBG gilt nach seinem § 1 Abs. 1 für die außergerichtliche Beilegung von (zivilrechtlichen) Streitigkeiten mit Ausnahme solcher arbeitsvertraglicher Natur (§ 4 Abs. 1 Hs. 2 VSBG) durch eine nach diesem Gesetz

  • anerkannte private VS-Stelle (§§ 327 VSBG) oder
  • eingerichtete behördliche VS-Stelle (§ 28 VSBG), bzw. eine solche, die
  • aufgrund anderer Rechtsvorschriften anerkannt, beauftragt oder eingerichtet wurde (wobei eine Abweichung von § 2 und § 41 VSBG nicht statthaft ist).

Die Länder richten in Erfüllung der europarechtlichen Vorgabe der Schaffung "eines flächendeckenden Angebots für Verbraucherschlichtung" gem. § 29 Abs. 1 VSBG im Übrigen ergänzende VS-Stellen (sog. Universalschlichtungsstelle des Landes) ein. Das Land kann nach § 29 Abs. 2 VSBG von der Einrichtung einer Universalschlichtungsstelle absehen, wenn ein ausreichendes Schlichtungsangebot besteht – was dann der Fall ist, wenn für jede Streitigkeit nach § 4 Abs. 2 S. 2 VSBG (vgl. IV. 1.) mit einem in diesem Land niedergelassenen Unternehmer eine VS-Stelle zur Verfügung steht, an die sich der Unternehmer wenden kann.

 

Hinweis:

Bis Ende 2019 besteht mit der vom Bund geförderten "Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle" nach § 43 Abs. 1 VSBG ein "ausreichendes Schlichtungsangebot". Bis dahin können die Länder von der Einrichtung der Universalschlichtungsstellen absehen.

§ 2 Abs. 1 VSBG trifft eine Legaldefinition der VS-Stelle. Darunter ist eine Einrichtung zu verstehen, die

  • Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung zivilrechtlicher Streitigkeiten durchführt, an denen Verbraucher (§ 13 BGB) oder Unternehmer (§ 14 BGB) als Antragsteller oder Antragsgegner beteiligt sind (Nr. 1 – Tätigkeitsbereich als verfahrensbezogene Voraussetzung), und
  • nach dem VSBG oder aufgrund anderer Rechtsvorschriften als VS-Stelle anerkannt, beauftragt oder eingerichtet worden ist (Nr. 2 – einrichtungsbezogene Voraussetzung).

Nach § 4 VSBG können VS-Stellen ihren Zuständigkeitsbereich auch erweitern oder beschränken (vgl. IV.).

 

Hinweis:

Das VSBG findet nach seinem § 1 Abs. 2 keine Anwendung auf Kundenbeschwerdestellen oder sonstige Einrichtungen zur Beilegung von Streitigkeiten, die nur von einem einzigen Unternehmer oder von mit ihm verbundenen Unternehmen (i.S.v. § 15 AktG) getragen oder finanziert werden, oder die nur im Auftrag eines solchen Unternehmers oder von mit ihm verbundenen Unternehmen tätig werden (Ausschluss unternehmensinterner Verfahren und von Kundenserviceanfragen).

Aus der deutschen Entscheidung gegen eine Einbeziehung unternehmensbezogener Stellen in den Anwendungsbereich des VSBG – was nach der ADR-RL möglich gewesen wäre – resultiert jedoch kein Verbot solcher Einrichtungen (NK-VSBG/Röthemeyer, § 1 Rn 11). Die VS-Stelle darf keine Konfliktbeilegungsverfahren durchführen, die dem Verbraucher eine verbindliche Lösung auferlegen oder die dessen R...

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