Der BGH gibt auch Hinweise zur Berechnung des Kindesunterhalts bei einem Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils oberhalb des Höchstbetrags der Düsseldorfer Tabelle. In früheren Entscheidungen wurde eine über die höchste Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle hinausgehende Fortschreibung der Tabellenwerte abgelehnt. Folglich musste das minderjährige Kind seinen Bedarf konkret darlegen. Daran hält der BGH nicht mehr uneingeschränkt fest.

Der BGH verdeutlicht nochmals, dass sich der Bedarf minderjähriger Kinder gem. § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Kindes bemisst, die es regelmäßig bis zum Abschluss seiner Ausbildung von den Eltern ableitet.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Kind am Lebensstandard seiner Eltern tatsächlich teilgenommen hat. Nicht erforderlich ist also eine vorausgegangene Gewöhnung des Kindes an den Lebensstandard seiner Eltern. Folglich kann ein Kind nach Trennung der Eltern einen altersbedingt erhöhten Bedarf oder mit zunehmendem Alter erstmals entstandene Bedarfspositionen geltend machen. Ebenso nimmt das Kind – anders als nach dem Stichtag für den Ehegattenunterhalt der geschiedene Ehegatte (vgl. BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn 17 ff.) – an einem späteren Karrieresprung des Unterhaltspflichtigen teil und profitiert vom Splittingvorteil aus einer von diesem geschlossenen neuen Ehe (BGHZ 178, 79 = FamRZ 2008, 2189 Rn 14 ff. und BGH v. 10.7.2013 – XII ZB 298/12, FamRZ 2013, 1563 Rn 15 m.w.N.). Denn abzustellen ist immer auf das aktuelle Einkommen.

Dabei kommt es nach der neueren Rechtsprechung des BGH auch beim Unterhalt minderjähriger Kinder auf die Lebensstellung beider Eltern an (s.a. BGH, Beschl. v. 11.1.2017 – XII ZB 565/15, BGHZ 213, 254 = FamRZ 2017, 437 Rn 24 f. m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschl. v. 15.2.2017 – XII ZB 201/16, FamRZ 2017, 711; BGH v. 11.1.2017 – XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437; KG Berlin v. 15.11.2017 – 19 WF 87/17, FamRZ 2018, 687). Daher muss auch bei höherem Elterneinkommen sichergestellt bleiben, dass Kinder in einer ihrem Alter entsprechenden Weise an einer Lebensführung teilhaben, die der besonders günstigen wirtschaftlichen Situation ihrer Eltern entspricht.

Auch wenn sich der Bedarf minderjähriger Kinder nach der Lebensstellung beider Eltern richtet, ist die die Unterhaltspflicht des einzelnen Elternteils immer auf den Betrag begrenzt, den der barunterhaltspflichtige Elternteil aufgrund des von ihm erzielten Einkommens zahlen muss. Der Kindesunterhalt kann daher in der Fallkonstellation des sog. Residenzmodells i.d.R. aufgrund des vom Barunterhaltspflichtigen erzielten gegenwärtigen Einkommens ermittelt werden.

Für die Bemessung des Unterhalts ergeben sich zwei Wege. Das Kind kann einerseits weiterhin seinen Bedarf konkret berechnen (Dazu ausführlich Knatz FF 2020, 396). Der BGH lässt andererseits jedoch abweichend von seiner früheren Rechtsprechung die Unterhaltsfestsetzung auf der Basis einer begrenzten Fortschreibung der in der Düsseldorfer Tabelle enthaltenen Bedarfsbeträge zu bis zur Höhe des Doppelten des höchsten darin ausgewiesenen Einkommensbetrags – also im Jahr 2020 bis zu 11.000 EUR.

Allerdings ist insb. beim Unterhalt minderjähriger Kinder zu beachten, dass dieser keine bloße Teilhabe am Luxus der Eltern beinhaltet und naturgemäß erst recht nicht zur Vermögensbildung des unterhaltsberechtigten Kindes dient. Schließlich ist das Maß des den Kindern zu gewährenden Unterhalt auch maßgeblich durch das „Kindsein” geprägt, berechtigt also insb. nicht zu einer gleichen Teilhabe am Elterneinkommen.

Diese mit dem Kindesunterhalt verbundenen Grenzen werden indessen durch eine Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle noch nicht berührt. Im Vergleich zum Ehegattenunterhalt beinhalten die in der Düsseldorfer Tabelle enthaltenen Steigerungssätze schon keine quotenmäßige (lineare) Beteiligung am Einkommen des Unterhaltspflichtigen. Vielmehr sind die Unterhaltssteigerungen jeweils am Mindestunterhalt orientiert und führen im Zusammenhang mit der Bemessung der Einkommensgruppen dazu, dass die Beteiligungsquote am Elterneinkommen (degressiv) stetig abnimmt. Eine dieses beibehaltende (und ggf. mit größer dimensionierten Einkommensgruppen versehene) Fortschreibung würde dementsprechend nur zu moderaten einkommensabhängigen Steigerungen des Kindesunterhalts führen.

Wie konkret die – jetzt erlaubte – Fortschreibung der Tabellensätze der Düsseldorfer Tabelle vorzunehmen ist, lässt der BGH offen.

 

Hinweis:

Weiterhin konkrete Bedarfsberechnung möglich: In diesem höheren Einkommensbereich ist es allerdings auch weiterhin möglich, den komplizierteren Weg zu gehen und sowohl beim Ehegattenunterhalt als auch beim Kindesunterhalt den konkreten Bedarf anhand der oben erwähnten Bedarfslisten im Detail darzulegen.

ZAP F. 11 R, S. 41–44

Von Dr. Wolfram Viefhues, weiterer Aufsicht führender Richter am AG a.D., Gelsenkirchen

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