Am 25. und 26.5.2023 trafen sich in Berlin erneut die Justizministerinnen und Justizminister des Bundes und der Länder, um gemeinsam zahlreiche rechtliche Fragestellungen zu erörtern. Die umfangreiche Tagesordnung reichte von der Änderung des Zuständigkeitsstreitwerts bei den Amtsgerichten über einen verbesserten Schutz von Wohnungsmietern bis zu Haftungsfragen im Straßenverkehr. Die wichtigsten Beschlüsse dieser 94. Justizministerkonferenz (JuMiKo) sind nachfolgend kurz zusammengefasst dargestellt.

Justiz und Verfahrensrecht

  • Anhebung des Zuständigkeitsstreitwerts bei den Amtsgerichten

    Nach dem Willen der Justizminister und Justizministerinnen soll die seit 1993 bestehende Streitwertgrenze von 5.000 EUR bei den Amtsgerichten auf 8.000 EUR angehoben werden. Mit Blick auf die Inflationsentwicklung in diesen 30 Jahren sei die Anpassung der Zuständigkeiten zwischen AG und LG überfällig, so die Ressortchefs, denn in diesem Zeitraum seien die Eingänge an erstinstanzlichen Zivilverfahren an den Amtsgerichten um rd. 41 % zurückgegangen. Dem müsse jetzt entgegengewirkt werden. Um in diesem Zuge auch dem Spezialisierungsgedanken besser Rechnung zu tragen, empfahlen die Minister ergänzend die Einführung weiterer streitwertunabhängiger Zuständigkeiten: So soll künftig die Eingangszuständigkeit für Streitigkeiten aus Fluggastrechten und Nachbarrecht bei den Amtsgerichten angesiedelt werden, hingegen Vergabesachen, Urheberrechtsstreitigkeiten und Arzthaftungsfälle den Landgerichten vorbehalten sein.

  • Digitale Zustellungsmöglichkeiten

    Insbesondere mit Verweis auf die jetzt bei Rechtsanwälten verpflichtende Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr begrüßten es die Minister, dass die aufwändige Zustellung in Papierform zunehmend durch die Möglichkeiten der elektronischen Zustellung ersetzt wird. Um die Vorteile der elektronischen Kommunikation noch besser zu nutzen, schlagen sie vor, dass der Kreis der zur Entgegennahme elektronischer Zustellungen verpflichteten Personen und Organisationen auf Unternehmen erweitert wird, an die typischerweise in sehr großer Zahl Zustellungen erfolgen. Hierdurch könnten Medienbrüche nicht nur auf gerichtlicher Seite vermieden werden. Bei Zustellungen über einen sicheren Übermittlungsweg werde der Zugang im Postfach des Empfängers bereits durch die automatisierte Eingangsbestätigung nachgewiesen. Eines elektronischen Empfangsbekenntnisses bedürfe es hierfür nicht mehr. Die Justizministerinnen und Justizminister der Länder baten daher den Bundesjustizminister, eine Regelung zur Abschaffung des elektronischen Empfangsbekenntnisses vorzulegen. Um den „berechtigten Belangen der Anwaltschaft” Rechnung zu tragen, solle ein elektronisches Dokument erst am dritten Tag nach dem auf der automatisierten Eingangsbestätigung ausgewiesenen Tag als zugegangen gelten. Der Deutsche Anwaltverein hat diese Pläne bereits heftig kritisiert (vgl. die nachfolgende Meldung).

  • „Vielkläger” in der Sozialgerichtsbarkeit

    Die Justizministerinnen und Justizminister haben sich mit dem Phänomen beschäftigt, dass einzelne wenige Klägerinnen und Kläger eine Vielzahl von vornherein offensichtlich erfolglosen Verfahren vor den Sozialgerichten führen. Sie sehen hierin eine große Belastung für die Funktionsfähigkeit der Sozialgerichtsbarkeit. Dies gehe zulasten derjenigen, die auf die schnelle gerichtliche Durchsetzung ihrer materiellen Rechte angewiesen seien. Die Justizministerinnen und Justizminister sind zwar der Auffassung, dass die Gerichtskostenfreiheit des sozialgerichtlichen Verfahrens als Ausfluss des Sozialstaatsprinzips und der Garantie des effektiven Rechtsschutzes beibehalten werden muss. Gleichwohl gebe es Reformbedarf, einem Missbrauch im Einzelfall entgegenzuwirken. Sie baten daher den Bundesminister der Justiz, einen Reformprozess innerhalb der beteiligten Bundesministerien anzustoßen mit dem Ziel zu prüfen, ob die Sozialgerichtsbarkeit der geschilderten Problematik ohne Einschränkung der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes besser begegnen kann. Das Land Hessen hat hierzu die Einführung einer Vielklägergebühr und die Ausweitung der Missbrauchsgebühr nach § 192 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGG vorgeschlagen (zur Kritik des DAV an diesem Vorschlag vgl. den nachstehenden Beitrag).

  • Kostengrundentscheidung nach Streitwertänderung

    Die Justizministerinnen und Justizminister stören sich daran, dass infolge einer nachträglichen Streitwertänderung rechnerisch unrichtig gewordene Kostengrundentscheidungen nach Rechtskraft des Urteils aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang nicht korrigiert werden können. Sie sehen hier einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf, um Wertungswidersprüche und Ungerechtigkeiten zu vermeiden. Der Bundesminister der Justiz wurde daher um Vorlage eines Gesetzesentwurfs gebeten, der die Anpassung der Kostengrundentscheidung nach einer Streitwertänderung ermöglicht.

  • Kindesanhörung im familiengerichtlichen Beschwerdeverfahren

    Die Ressortchefs wollen erreichen, dass aus ihrer Sicht unnötige Wiederho...

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