Nicht nur im Personengesellschaftsrecht, sondern auch im anwaltlichen Gesellschaftsrecht besteht seit Jahren drängender Reformbedarf – schon deshalb, weil das BVerfG Bestimmungen der BRAO, die den Kreis der sozietätsfähigen Berufe (BVerfG, Beschl. v. 12.1.2016 – 1 BvL 6/13, BVerfGE 141, 82 ff.) und Mehrheitserfordernisse in einer interprofessionellen Berufsausübungsgesellschaft regeln (BVerfG, Beschl. v. 14.1.2014 – 1 BvR 2998/11, 1 BvR 236/12, BVerfGE 135, 90 ff.), teilweise außer Kraft gesetzt hat. Auch i.Ü. sind die Regelungen zur beruflichen Zusammenarbeit von Rechtsanwälten längst nicht mehr zeitgemäß (vgl. den Gesetzesvorschlag von Henssler, AnwBl Online 2018, 564 ff.). Augenfällig ist insb., dass die BRAO bislang quasi die Gesellschaft selbst nicht erfasst, sondern ihre Regelungen am einzelnen Berufsträger anknüpfen. Außerdem sind die Vorschriften zu den verschiedenen Rechtsformen, in denen sich Anwälte zusammenschließen können, von ganz unterschiedlicher Regelungsdichte und inhaltlich nicht aufeinander abgestimmt. Diesen Missständen will sich nun endlich auch der Gesetzgeber annehmen. In Vorbereitung eines Referentenentwurfs, der für den Sommer erwartet wird, hat das BMJV Ende August 2019 Eckpunkte für eine Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften vorgestellt, der viele Vorschläge des von Henssler erarbeiteten und vom DAV übernommenen Gesetzesvorschlags aufgreift.

Danach sollen für die Berufsausübungsgesellschaften der Rechtsanwaltschaft rechtsformneutral soweit wie möglich einheitliche berufsrechtliche Regelungen geschaffen werden. Berufsausübungsgesellschaften sollen grds. alle nationalen und europäischen Rechtsformen zur Verfügung stehen. Beabsichtigt ist es, der Berufsausübungsgesellschaft selbst und nicht mehr allein den in ihr zusammengeschlossenen Anwälten eine berufsrechtliche Stellung zuzubilligen. So sollen in Zukunft auch Berufsausübungsgesellschaften samt den Namen der in der Berufsausübungsgesellschaft tätigen Rechtsanwälte in einem von der BRAK geführten elektronischen Verzeichnis erfasst und so Transparenz für den Rechtsverkehr geschaffen werden. Im Übrigen soll zugunsten von Berufsausübungsgesellschaften jeder Rechtsform festgeschrieben werden, dass sie selbst befugt sind, Rechtsdienstleistungen zu erbringen, und dass sie vor Gericht postulationsfähig sind, soweit sie durch persönlich befugte Personen handeln. Für alle Berufsausübungsgesellschaften soll die Möglichkeit geschaffen werden, i.R.d. besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) ein Kanzleipostfach zu erhalten (optionales Kanzleipostfach).

Außerdem sollen alle Berufsausübungsgesellschaften selbst Träger von Berufspflichten sein. Folge dieses Vorschlags ist es auch, dass Berufsausübungsgesellschaften künftig verpflichtet werden sollen, eine eigenständige Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen und zu unterhalten, wobei für alle Rechtsformen mit gesellschaftsrechtlicher Haftungsbeschränkung einheitlich eine erhöhte Mindestversicherungssumme vorgeschrieben werden soll. Die persönliche Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwälte soll unberührt bleiben.

Die Berufsausübungsgesellschaft soll auch selbst Adressat berufsrechtlicher Sanktionen werden können. Damit könnte künftig gegen eine Sozietät, die unter Verstoß gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen ein neues Mandat annimmt, eine Geldbuße festgesetzt werden. Hiermit einhergehen soll eine eigenständige berufsrechtliche Zulassung aller anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften, die bislang nur für die Anwalts-GmbH vorgesehen ist. Folge der Zulassung wäre zugleich die Mitgliedschaft der Gesellschaft in der für sie zuständigen Rechtsanwaltskammer. Um nicht zu viel Bürokratie aufzubauen, soll die Zulassung zur Verwaltungsvereinfachung in unproblematischen Fällen im Wege eines Anzeigeverfahrens erfolgen können. Damit könnte etwa das Zulassungsverfahren für monoprofessionelle Berufsausübungsgesellschaften von Rechtsanwälten, aber auch für interprofessionelle Zusammenschlüsse allein mit den bereits bislang sozietätsfähigen Patentanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern deutlich verschlankt werden.

Wie die Berufsausübungsgesellschaft die Einhaltung des Berufsrechts sicherstellt, soll ihr selbst überlassen bleiben. Das BMJV beabsichtigt nicht, die Sozietäten zur Benennung eines gesonderten Berufsrechtsbeauftragten oder "Compliance Officer" zu verpflichten. Die berufsrechtliche Verantwortung der Berufsausübungsgesellschaft soll die einzelnen, in der Gesellschaft organisierten Berufsträger nicht von ihrer eigenen personalen Verantwortung entlasten. Vielmehr sollen Rechtsanwälte weiterhin persönlich verpflichtet bleiben, die Einhaltung der Berufspflichten durch die Berufsausübungsgesellschaft und durch berufsfremde Gesellschafter sicherzustellen.

Auf deutliche Kritik insb. der BRAK stößt ein weiterer Eckpunkt, mit dem eine wesentliche Erweiterung der Möglichkeiten der interprofessionellen Zusammenarbeit vorgeschlagen wird...

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