Die Kündigung des Reisevertrags ist in aller Regel für den Anwalt nur von Bedeutung, wenn Klageziel die Rückforderung des Reisepreises nach einer Kündigung ist: Der Mandant hat ohne Beratung vor Ort die Kündigung schlüssig oder ausdrücklich erklärt und will nun den überbezahlten Betrag vom Reiseveranstalter.

Die Kündigung der Reise durch den Reisenden wegen eines Mangels ist möglich, wenn die Reise infolge des Mangels erheblich beeinträchtigt ist, § 651e Abs. 1 S. 1 BGB. Gleiches gilt, wenn die Reise dem Reisenden wegen eines Mangels aus wichtigem, dem Reiseveranstalter erkennbaren Grund nicht zuzumuten ist. Die Fälle, in denen die Reise völlig frustriert oder vereitelt wurde, sind ohne Weiteres Kündigungsgründe. Uneinheitlich wird die Rechtsprechung aber, wenn es um Mängel unterhalb dieser Schwelle geht. Klar ist, dass sich auch kleinere Mängel aufaddieren können und eine erhebliche Beeinträchtigung darstellen. Hierzu werden die Minderungsquoten addiert und eine Prognose getroffen, ob die Mängel während der Dauer des Urlaubs fortbestanden hätten. So gelangen die Gerichte dann zu einer kumulativen Mängelquote, die die Grenze der erheblichen Beeinträchtigung darstellt. Diese Grenze beläuft sich auf

  • 50 % (LG Hannover NJW-RR 1986, 213, 214; AG Münster RRa 2011, 179, 181; AG Düren RRa 2006, 177);
  • 35 % (LG Frankfurt RRa 2011, 169);
  • 30 % (Führich, Handbuch des Reiserechts, § 10 Rn 12);
  • 25 % (LG Duisburg RRa 2010, 53).
 

Hinweis:

Es ist also zu prüfen, wo der Reiseveranstalter seinen Sitz hat und wie die Spruchpraxis des örtlichen Gerichts aussieht. Auch die Rechtsprechung zur Frage, welche Umstände konkret eine Kündigung rechtfertigen, ist reichhaltig (s. hierzu Führich, Handbuch des Reiserechts, § 10 Rn 21 ff.).

Subjektiv unzumutbar ist die Reise, wenn eine Situation vorliegt, bei der ein Mangel vorliegt, dieser aber nur aufgrund der besonderen, dem Reiseveranstalter erkennbaren Situation des Reisenden nach umfassender Abwägung zur Unzumutbarkeit führt. Beispiel hierfür kann ein in der Mobilität eingeschränkter Reisender sein: Wenn dessen Zimmer nicht im Erdgeschoß liegt und ein Aufzug in die erste Etage fehlt, wäre dies ein Kündigungsgrund.

Notwendig ist weiterhin ein Abhilfeverlangen mit Fristsetzung oder dessen Entbehrlichkeit. Das Abhilfeverlangen soll erneut dem Veranstalter die Chance einräumen, Mängel zu beheben. Die Fristsetzung muss angemessen sein – es kommt also auf die Umstände des Einzelfalls und des Mangels an. Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn es an einer ordnungsgemäßen Belehrung (§ 6 Abs. 2 Nr. 7 BGB-InfoV) fehlte. Entbehrlich ist sie auch, wenn eine Abhilfe insgesamt unmöglich ist. Verweigert der Reiseveranstalter die Frist ernsthaft und endgültig, bedarf es ebenfalls keiner Fristsetzung. Schließlich ist die Fristsetzung ebenfalls entbehrlich, wenn es ein besonderes Interesse des Reisenden rechtfertigt. Dies kann etwa bei einem vollständigen Vertrauensverlust der Fall sein (LG Köln NJW-RR 1989, 565) oder auch, wenn aufgrund der körperlichen oder familiären Situation Eile geboten ist.

 

Hinweis:

Für die Entbehrlichkeit der Fristsetzung trägt der Reisende die Darlegungs- und Beweislast; fehlt sie also, sollten bereits in der Klageschrift unter Beweisantritt die Gründe für die Entbehrlichkeit vorgetragen werden.

Auch einer Kündigungserklärung bedarf es; diese kann zwar auch schlüssig erfolgen, aber das Verhalten muss zumindest dem Reiseveranstalter oder der örtlichen Agentur zur Kenntnis gelangen. Eine bloße Abreise, von der der Veranstalter nichts weiß, reicht nicht (LG Düsseldorf RRa 2010, 22, 25). Der Veranstalter verliert im Fall der berechtigten Kündigung den Anspruch auf den Reisepreis; er hat jedoch einen Entschädigungsanspruch, soweit der Reisende mängelfreie Leistungen in Anspruch genommen hat. Beim Reiseveranstalter verbleibt also der Betrag für die Dauer der Reise bis zur Kündigung, soweit keine Minderung vorliegt. Eine solche teilweise Entschädigung kann der Veranstalter nicht verlangen, wenn die Reise für den Reisenden ohne Wert war. Kündigt der Reisende berechtigt bereits am Tage der Ankunft und wird dann zurückbefördert, kann der Veranstalter keine Entschädigung für den Transport verlangen, da dieser keinen Wert für den Reisenden hat. Auch die Mehrkosten infolge der Kündigung (teurerer Rücktransport, Zwischenübernachtung) fallen dem Veranstalter zur Last.

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