Leitsatz (amtlich)

Die Beurteilung der Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise vorliegt, setzt eine am Reisezweck und am Reisecharakter orientierte Gesamtwürdigung aller Umstände voraus. Maßgebend ist, ob dem Reisenden die Fortsetzung der Reise trotz der Reisemängel und Unannehmlichkeiten zumutbar ist.

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 12.12.2003; Aktenzeichen 2-19 O 371/02)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteils des LG Frankfurt/M. vom 12.12.2003 (2-19 O 371/02) abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.078 Euro nebst Zinsen von 5 % über dem Basiszinssatz seit 11.1.2003 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreit hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im Tatbestand des Urteils des LG Frankfurt/M. vom 12.12.2003.

Das LG hat mit Urteil vom 12.12.2003 die Beklagte zur Zahlung von 1.826,31 Euro nebst Zinsen von 5 % über dem Basiszinssatz seit 11.1.2003 verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das LG ausgeführt, dem Kläger stehe nur ein Anspruch auf Erstattung eines Teiles des Reisepreises entsprechend einer Minderungsquote von 17 % zu. Ein Kündigungsrecht des Klägers habe nicht bestanden, da dies eine Gesamtminderungsquote von 20 % voraussetze, die nicht erreicht sei.

Gegen dieses dem Kläger am 12.2.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 9.3.2004 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und seine Rechtsmittel gleichzeitig begründet.

Er meint, es seien wesentlich höhere Minderungsbeträge gerechtfertigt als sie vom LG angenommen worden seien. Für den verschmutzen Strand seien 20 % Minderung angemessen, für die Abwasserrohre ins Meer 15 %, für die hohe Zahl der Liegen und die Enge am Strand 10 %, für die geringere Zahl der Strandbars 5 %, für die stinkenden Müllsäcke in der Anlage ebenfalls 5 %, für das eintönige Essen, das zu kleine Büffet und die Speisen auf dem Boden 10 %. Dass kein Frühstück nach 10.00 Uhr und kein Abendessen nach 21:30 Uhr angeboten werde, führe zu einer Minderung von 5 %. Die fehlende Möglichkeit, andere Getränke zum Essen zu bestellen als vorgegeben, rechtfertige eine Minderung von 5 % statt von 2 % wie es das LG angenommen hat. Eine weitere Minderung von 5 % sei gerechtfertigt, weil einige Restaurants geschlossen oder für Gesellschaften reserviert seien. Die uralte Restauranteinrichtung und die Gäste in kurzen Shorts führten zu einer weiteren Minderung von 10 %. Die einfache Möblierung aus alten Korbmöbeln bedeute eine Minderung von 15 % und die zu gering eingestellte Klimaanlage, die eingeschränkte Funktionsfähigkeit der Dusche und der ausgelaufene Kühlschrank führten zu einer Minderung des Reisepreises von 20 %.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Frankfurt/M. vom 12.12.2003 die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger über 1.826,31 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz liegenden Zinsen daraus seit 11.1.2003 weitere 10.251,69 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz liegenden Zinsen daraus seit dem 11.1.2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass der Kläger das preisgünstigste Hotel innerhalb der Anlage gebucht habe. Der Reisepreis sei bezogen auf das Urlaubsziel durchschnittlich. Der Strand sei algenfrei gewesen und regelmäßig gereinigt worden.

II. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie wurde insb. form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

Das Rechtsmittel des Klägers ist auch in der Sache begründet. Der Kläger kann von der Beklagten Rückzahlung des Reisepreises von 10.265 Euro nach § 651e Abs. 3 S. 1 BGB verlangen. Nach dieser Vorschrift verliert der Reiseveranstalter seinen Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis, wenn der Vertrag gekündigt wird. In diesem Fall ist deshalb der gezahlte Reisepreis vom Veranstalter an den Reisenden zurückzuerstatten. Wie beim Rücktritt wandelt sich der Reisevertrag auch im Falle der Kündigung in ein Rückgewährschuldverhältnis.

Der Kläger hat den Reisevertrag mit der Beklagten zumindest konkludent gekündigt, indem er am 27.8.2002 in einem Gespräch mit der Reiseleitung nach Rüge zahlreicher Mängel einen Hotelwechsel ablehnte und erklärte, er fliege am selben Tag zurück. Dieser Erklärung kann nur der Inhalt beigemessen werden, dass der geschlossene Reisevertrag nicht mehr durchgeführt, sondern gekündigt werden soll.

Eine wirksame Kündigung des Reisevertrages setzt nach § 651e Abs. 1 S. 1 BGB eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise voraus.

Teilweise wird in der Rechtsprechung versucht, durch Quantifizierung einen einheitlichen Minderungsprozentsatz anzusetzen, von dem ab bei Reisemängeln eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise angenommen wird. Das LG Frankfurt/M. (LG Frankfurt v. 19.10.1992 - 2/24 S 68/92, NJW-RR 1993, 61 = RRa 1995, 67 [89] = RRa 1997, 42) meint, bereits bei Mängeln mit einem Gesamtgewicht von 20 % sei eine erhebliche Beeinträc...

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