Leitsatz

Keine gesamtschuldnerische oder anteilige Eigentümerhaftung für Altverbindlichkeiten aus einem Versorgungsvertrag mit der Gemeinschaft (Trinkwasser und Abwasser) nach Berliner Wasserversorgungsbedingungen (Revisionszulassung)

 

Normenkette

§ 10 Abs. 8 WEG n.F.; §§ 133, 157, 242, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB

 

Kommentar

  1. Im Streit stand die Frage, ob nach den Allgemeinen Bedingungen für die Wasserversorgung (Trinkwasserlieferung und Entsorgung des auf dem Grundstück anfallenden Schmutz- und Niederschlagswassers) der Stadt Berlin aufgrund des Vertragsverhältnisses mit der Wohnungseigentümergemeinschaft auch der einzelne Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner zu haften habe.
  2. Der Anspruch der Klägerin gegen den beklagten Eigentümer auf Zahlung der Wasser- und Abwassergebühren für den streitgegenständlichen Zeitraum – vor Inkrafttreten der WEG-Reform – wurde verneint, da der Eigentümer weder Vertragspartner geworden sei noch für Verbindlichkeiten der Wohnungseigentümergemeinschaft akzessorisch hafte.

    Originärer Vertragspartner wurde hier allein die Wohnungseigentümergemeinschaft unter Auslegung der Realofferte zum Abschluss des seinerzeitigen Vertrags (vgl. §§ 133, 157, 242 BGB). Im Anschluss an die BGH-Entscheidung vom 2.6.2005 (V ZB 32/05) kam der Vertrag allein mit der Gemeinschaft als rechtsfähigen Verband zustande und nicht mit den einzelnen Eigentümern. Etwas anderes kann ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn ein Vertrag aufgrund besonderer Umstände, z. B. geringer Größe der Liegenschaft, einmaligem Leistungsaustausch, persönlicher Verbundenheit der Vertragspartner oder besonderer Sicherheitsinteressen eines Gläubigers, gerade mit einem jeden einzelnen Wohnungseigentümer abgeschlossen wurde (vgl. BGH, Urteil v. 7.3.2007, VIII ZR 125/06). So lag der Fall hier jedoch nicht. Ein einzelner Eigentümer will hier auch bei persönlicher Inanspruchnahme von Leistungen jedenfalls im Außenverhältnis nicht zugleich auch für die Wasserverbräuche aller anderen Miteigentümer haften.

  3. Eine gesamtschuldnerische Haftung der Eigentümer kommt auch nur dann in Betracht, wenn er sich neben dem Verband klar und eindeutig auch persönlich verpflichtet haben sollte. Vorliegend haben die einzelnen Eigentümer keine eigene Haftungserklärung abgegeben.
  4. Nichts anderes folgt auch aus dem Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich der Abwasserentsorgung. Eine öffentlich-rechtliche Abgabenschuld einzelner Eigentümer folgt nach den gesetzlichen Vorgaben aus einem solchen Anschluss- und Benutzungszwang nicht (vgl. auch KG, Urteil v. 12.2.2008, 27 U 36/07).

    Auch aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ergibt sich keine eindeutige persönliche Eigentümerverpflichtung, da der Versorgungsvertrag ausdrücklich "mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer" abgeschlossen wurde. Zum Zeitpunkt der Abfassung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wurde die Wohnungseigentümergemeinschaft noch nicht als teilrechtsfähig angesehen, sodass aus damaliger Sicht nur die einzelnen Eigentümer in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Vertragspartner wurden. Mit der Änderung der Rechtsprechung zur Teilrechtsfähigkeit der GbR wurde klargestellt, dass Vertragspartner nur die Gemeinschaft war (a.A. KG Berlin, Urteil v. 7.11.2007, 11 U 16/07).

  5. Allgemeine Geschäftsbedingungen, die eine Gesamtschuldhaftung der Eigentümer enthalten, sind unwirksam, da sie gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung – von der abgewichen wird – nicht zu vereinbaren sind. Bei Annahme einer Haftung einzelner Eigentümer handelt es sich um "Verträge zulasten Dritter", was für am Vertragsabschluss nicht selbst Beteiligte nicht wirksam vereinbart werden kann.

    Weiterhin wird gegen Grundgedanken des § 242 BGB (Treu und Glauben) verstoßen. Ein einzelner Eigentümer kann nicht etwa zu 100 % für gemeinschaftliche Schulden einer Wohnungseigentümergemeinschaft haften, wenn er grundsätzlich nur Miteigentumsanteile besitzt. Einzelne Wohnungseigentümer haben sich auch nicht einer Wohnungseigentümergemeinschaft angeschlossen, um gemeinsam einen wirtschaftlichen Erfolg anzustreben, sondern nur deshalb, weil sie nur auf diese Art und Weise Sondereigentum erwerben konnten.

  6. § 10 Abs. 8 WEG ist im Übrigen erst am 1.7.2007 in Kraft getreten und damit zeitlich nach dem streitgegenständlichen Zeitraum. Die Vorschrift ist zwar grundsätzlich sofort anwendbar, nicht jedoch auf abgeschlossene Sachverhalte, d.h. klägerische Forderungen, die vor dem 1.7.2007 begründet wurden und fällig geworden sind. Der Neuregelung ist insoweit keine Rückwirkung beizumessen (vgl. ebenso OLG Karlsruhe, Urteil v. 30.10.2008, 9 U 5/08).
  7. Revision wurde zugelassen, da ein anderer Senat des KG zu selber Fallkonstellation in Kenntnis und Auseinandersetzung mit dem Urteil des BGH vom 7.3.2007 zu einem gegenteiligen Ergebnis gelangt ist (vgl. KG Berlin, Urteil v. 7.11.2007, 11 U 16/07).
 

Link zur Entscheidung

KG Berlin, Urteil v. 24.3.2009, 4 U 172/07 mit Zulassung der Revision

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