Leitsatz

Die einzelnen Wohnungseigentümer haften nicht gesamtschuldnerisch für Frischwasser- und Abwasserkosten gegenüber den Berliner Wasserwerken bei bestehendem Vertragsverhältnis mit der teilrechtsfähigen Gemeinschaft, sofern sie sich nicht ausnahmsweise neben dem Verband klar und eindeutig persönlich verpflichtet haben (Bestätigung von BGHZ 163 S. 154)

 

Normenkette

§ 10 Abs. 1, 6 und 8; § 421 BGB

 

Kommentar

  1. Von den Berliner Wasserwerken wurden drei Eigentümer als Gesamtschuldner auf Zahlung restlicher Wasserbelieferungs- und Abwasserentsorgungsgebühren für frühere Zeiträume verklagt. Bezug genommen wurde hier auf die entsprechenden Wasserversorgungsbedingungen der Berliner Wasserbetriebe; dort war geregelt, dass "bei Wohnungseigentümergemeinschaften als Vertragspartner der Vertrag mit der Gemeinschaft abgeschlossen sei und jeder Eigentümer als Gesamtschuldner hafte".

    Das Landgericht ging davon aus, dass sich hier die Realofferten der Wasserwerke an die Grundstückseigentümer gerichtet hätten, bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft an die jeweiligen Wohnungseigentümer. Herausgestellt wurde auch der entsprechende Anschluss- und Benutzungszwang, sodass die Wohnungseigentümer als die richtigen Adressaten der Vertragsangebote der Klägerin anzusehen seien. Mit dem Verwalter als Vertreter der Gemeinschaft sei hier (anders als in dem vom BGH entschiedenen Urteil v. 7.3.2007, VIII ZR 125/06) kein Versorgungsvertrag abgeschlossen worden.

    Der BGH revidierte die Meinung des Landgerichts Berlin.

  2. Nach Auffassung des BGH richteten sich die Realofferten nicht an die einzelnen Wohnungseigentümer, sondern an die Gemeinschaft in entsprechender Auslegung der Vertragsverhältnisse. Somit kam auch in konkludenter Annahme der Angebote das Vertragsverhältnis über die Belieferung mit Wasser und die Abwasserentsorgung jeweils (nur) mit der Wohnungseigentümergemeinschaft zustande, nicht mit den einzelnen Eigentümern. Insoweit handelt es sich auch um Verwaltungsangelegenheiten der Gemeinschaft, die nunmehr gemäß § 10 Abs. 6 WEG insoweit als rechtsfähig gilt. Damit hat sich auch das frühere Haftungssystem geändert. Vertragspartner ist auch hier i.d.R. der teilrechtsfähige Verband, der mit seinem Verwaltungsvermögen haftet. Daneben kommt eine akzessorische gesamtschuldnerische Haftung der Eigentümer nicht mehr von Gesetzes wegen, sondern nur dann in Betracht, wenn sich Eigentümer neben dem Verband klar und eindeutig auch persönlich gegenüber einem Gläubiger verpflichtet haben sollten (BGHZ 163 S. 154, 172). Vorliegend war dies nicht der Fall.

    Auch aus den Lieferbedingungen ergibt sich nicht klar und eindeutig, dass eine akzessorische gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer persönlich neben der Haftung des Verbandes begründet werden sollte. Sinn der früheren Bedingungsklauseln kann es nur gewesen sein, die damals als gegeben vorausgesetzte Eigenhaftung der Wohnungseigentümer inhaltlich dahin auszugestalten, dass jeder Wohnungseigentümer für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft als Gesamtschuldner und nicht nur entsprechend seinem Miteigentumsanteil haften solle.

  3. Auch wenn nunmehr nach neuem Recht Gesamtschuldhaftung der Eigentümer ausgeschlossen ist, haften diese gem. § 10 Abs. 8 Satz 1 WEG einem Gläubiger gegenüber neben dem Verband nur nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile für entsprechende Verbindlichkeiten der Gemeinschaft.
  4. Insoweit musste zur Höhe der berechtigten Forderungen gem. § 10 Abs. 8 Satz 1 der Rechtsstreit zur Feststellung der Miteigentumsanteile der in Anspruch genommenen Eigentümer zurückverwiesen werden.
Anmerkung

Diese neue BGH-Entscheidung hat sicher erhebliche praktische Bedeutung auch für weitere Versorgungsverträge, die nach ähnlichen Satzungen oder Bedingungen beliehener Unternehmer selbst mit Anschluss- und Benutzungszwang primär mit Gemeinschaften abgeschlossen wurden. Ich denke hier z. B. auch an Müllentsorgungsverträge oder Verträge mit städtischen Reinigungsdiensten. Es scheint sich nunmehr das neue materielle Wohnungseigentumsrecht in Änderung früherer Haftungssysteme nach § 10 Abs. 6 WEG auch als vorrangiges Bundesrecht durchzusetzen.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 20.01.2010, VIII ZR 329/08BGH, Urteil v. 20.01.2010, VIII ZR 329/08

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