Leitsatz

a) Ist in einem Wohnraummietvertrag über ein älteres Fachwerkhaus vereinbart, dass die Wohnfläche nach den §§ 42 ff. II. BV zu berechnen ist, so kann die Maßgeblichkeit dieser Bestimmungen für die Wohnflächenermittlung nicht mit der Begründung verneint werden, derartige Gebäude mit niedriger Deckenhöhe und freiliegenden Deckenbalken habe die Zweite Berechnungsverordnung nicht im Blick gehabt.

b) Freisitze i. S. d. § 44 Abs. 2 II. BV sind nur solche Freiflächen, die an den vermieteten Wohnraum angrenzen.

(amtlicher Leitsatz des BGH)

 

Normenkette

BGB § 536 Abs. 1

 

Kommentar

Die Entscheidung betrifft eine Vierzimmerwohnung im ersten Obergeschoss eines älteren Fachwerkhauses. Nach dem Mietvertrag gehört zur Mietsache auch eine im Hof gelegene Sitzecke von 18 qm. Die Wohnräume haben freiliegende Deckenbalken; teilweise beträgt die Raumhöhe weniger als 2 Meter.

In dem Mietvertrag ist hinsichtlich der Wohnfläche Folgendes geregelt: "Die Wohnfläche ist mit ca. 92 qm vereinbart. Berechnungsgrundlage sind §§ 42 ff. II. BV."

Das Mietverhältnis wurde nach einer Mietdauer von 21 Monaten beendet. Die Mieter nehmen den Vermieter auf Rückzahlung eines Teils der Miete in Anspruch, wobei sie geltend machen, dass die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 % von der Vertragsfläche abweicht. Das Amtsgericht hat über die Wohnfläche ein Sachverständigengutachten eingeholt. Danach beträgt die Wohnfläche nach den §§ 42 ff. der II. BV 77,07 qm. Die tatsächliche Wohnfläche weicht damit um ca. 16 % von der Vertragsfläche ab. Aus diesem Grund hat das Amtsgericht der Klage stattgegeben.

Das Berufungsgericht hat demgegenüber die Ansicht vertreten, dass die Sitzecke im Hof mit der Hälfte ihrer Grundfläche, also mit 9 qm, auf die Wohnfläche anzurechnen sei. Außerdem sei ein Abzug für Raumteile mit einer Deckenhöhe von unter 2 Metern bei älteren Fachwerkhäusern nicht angezeigt. Nach dieser Berechnungsmethode beträgt die Abweichung weniger als 10 %.

Anmerkung

Nach Ansicht des BGH ist das Berufungsurteil fehlerhaft:

1. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Miete gemindert, wenn die wirkliche Wohnfläche um mehr als 10 % unter der im Vertrag ausgewiesenen Fläche liegt (BGH, Urteile v. 24.3.2004, VIII ZR 295/03, NJW 2004, 1947, VIII ZR 44/03, NJW 2004, 2230 und VIII ZR 133/03, WuM 2004, 268 sowie vom 23.5.2007, VIII ZR 231/06, NJW 2007, 2624). Einen überzahlten Betrag kann der Mieter nach § 812 BGB zurückverlangen.

2. Bei dieser Rechtslage kommt es entscheidend darauf an, wie die Wohnfläche in Fällen der vorliegenden Art zu berechnen ist. Hierzu hat der BGH bereits in dem Urteil vom 24.3.2004 (VIII ZR 44/03, NJW 2004, 2230) ausgeführt, dass sich die Parteien auf einen beliebigen Maßstab einigen können (z. B. auf die §§ 42 ff. der II. BV, auf die Wohnflächenverordnung, auf die DIN 283, auf die DIN 277, auf die Ausmessung der Grundfläche). Ist eine solche Vereinbarung zustandegekommen, so ist dieser Maßstab zu beachten.

Vorliegend ist in dem Mietvertrag geregelt, dass Berechnungsgrundlage die §§ 42 ff. II. BV sein sollen. Folgerichtig sind die Regelungen der II. BV anzuwenden. Dies gilt auch für ältere Fachwerkhäuser. Der BGH führt hierzu wörtlich aus: "Wer die Berechnung der Wohnfläche bei einem älteren Bauwerk nach heutigen Vorschriften vereinbart, muss sich daran festhalten lassen". Daraus folgt zunächst, dass Raumteile mit einer Deckenhöhe unter 2 Metern nur zur Hälfte anzurechnen sind (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 II. BV).

3. In § 44 Abs. 2 II. BV ist geregelt, dass die Grundflächen gedeckter Freisitze bis zur Hälfte auf die Wohnfläche angerechnet werden können. Dies gilt aber nur, wenn der Freisitz "ausschließlich zu dem Wohnraum" gehört. Hieraus folgert der BGH, dass nur solche Flächen als Freisitze im Sinne der Vorschrift anzusehen sind, "die einem angrenzenden Wohnraum zugeordnet sind". Daran fehlt es, wenn die Wohnung im ersten Obergeschoss und der Freisitz im Hof gelegen ist.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 08.07.2009, VIII ZR 218/08, NJW 2009, 2880

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