Leitsatz

Die Beteiligten waren geschiedene Eheleute und stritten um den Zugewinn. Während der bestehenden Ehe hatten die Eltern der Ehefrau ihr im Wege vorweggenommener Erbfolge eine Immobilie übertragen. Die Beteiligten schlossen sodann einen notariellen Ehevertrag, in dem sie vereinbarten, dass die Immobilie der Ehefrau im Fall der Scheidung bei der Bestimmung ihres Anfangs- und Endvermögens unberücksichtigt bleiben sollte. Im Übrigen sollte es bei der gesetzlichen Regelung des Zugewinnausgleichs verbleiben. In der Folgezeit nutzten die Eheleute die Immobilie vier Jahre lang als Ehewohnung und steigerten deren Wert durch An- und Umbauten erheblich.

Das AG hat dem Antrag der Ehefrau auf Zahlung von Zugewinnausgleich i.H.v. ca. 17.000,00 EUR entsprochen und bei der Berechnung die Immobilie der Ehefrau außer Betracht gelassen.

Gegen die erstinstanzliche Entscheidung wandte sich der Ehemann mit der Beschwerde und machte geltend, der Ehevertrag benachteilige ihn in unbilliger Weise. Im Hinblick auf die ehezeitlichen Wertsteigerungen der Immobilie hätte ihm ein Zugewinnausgleichsanspruch zugestanden. Eine derartige Umkehr der Ausgleichsrichtung sei mit dem Ehevertrag nicht beabsichtigt gewesen.

Das Rechtsmittel des Ehemannes blieb ohne Erfolg.

 

Sachverhalt

Siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG folgte der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, das gegen die Wirksamkeit der notariellen Vereinbarung der Beteiligten über den Zugewinnausgleich keinerlei Bedenken hatte. Zu dieser Auffassung kam auch das OLG mit der Folge, dass das im Eigentum der Ehefrau stehende Grundstück samt darauf befindlichem Gebäudekomplex weder dem End- noch dem Anfangsvermögen zuzurechnen sei und somit dem Zugewinnausgleich nicht unterfalle.

Die zwischen den Parteien getroffene Regelung halte der richterlichen Inhaltskontrolle stand.

Auf der ersten Stufe der Inhaltskontrolle, der Wirksamkeitskontrolle, sei gemäß § 138 BGB aufgrund einer Gesamtwürdigung der individuellen Verhältnisse der Ehegatten festzustellen, ob die getroffenen Regelungen schon bei Vertragsschluss zu einer evident ungleichen Lastenverteilung geführt hätten.

Grundsätzlich stehe es den Ehegatten als Ausschluss der grundgesetzlich geschützten Privatautonomie frei, ihre ehelichen Lebensverhältnisse eigenverantwortlich entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen und Vorstellungen zu gestalten und ihre güterrechtlichen Verhältnisse durch Ehevertrag zu regeln. Der Zugewinnausgleich gehöre nicht zum Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts und daher seien weitgehende vertragliche Modifikationen zulässig. Insbesondere könne der Betrieb eines Selbständigen aus dem Zugewinnausgleich vollständig ausgeklammert werden, da ein legitimes Interesse an dessen Erhaltung bestehe, das durch eine Einbeziehung in den Ausgleich beeinträchtigt werde.

Das OLG übertrug diesen Grundsatz auf vorehelich und privilegiert erworbene Vermögensgegenstände von erheblichem Wert. Insbesondere bei Immobilien sei ein Erhaltungsinteresse anerkennenswert. Der gesetzlich vorgesehene Ausgleich ehezeitlicher Wertsteigerungen führe jedoch häufig zu einer Liquidierung dieser Vermögenswerte. Vor diesem Hintergrund des legitimen Zwecks der Vereinbarung führe allein die Tatsache, dass vorliegend die ohnehin die vermögendere Ehefrau durch den Vertrag privilegiert werde, nicht zu einer sittenwidrig einseitigen Lastenverteilung.

Bei der zweiten Stufe der Inhaltskontrolle, der Ausübungskontrolle, sei zu prüfen, ob gemäß §§ 242, 313 BGB zum Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe durch bei Vertragsschluss unvorhergesehene Entwicklung eine ungerechte Lastenverteilung eingetreten sei.

Auch dies verneinte das OLG. Vielmehr sei bereits bei Vertragsabschluss beabsichtigt gewesen, dass auch der Ehemann Geld und Arbeit in die Immobilie investieren sollte. Hierfür sei er auch nicht ohne Kompensation geblieben, da er während der Ehe in der Immobilie gewohnt habe.

 

Hinweis

Interessant und bemerkenswert an dieser Entscheidung ist insbesondere die Berücksichtigung des Erhaltungsinteresses an vorehelich oder privilegiert erworbenen Gegenständen im Rahmen der Inhaltskontrolle. Anerkannt war dies in der Rechtsprechung bislang nur für Betriebe (BGH in NJW 1997, 2239).

Bei der Gestaltung von Eheverträgen ist zudem der Hinweis des OLG zu beachten, dass ein "Umkippen" des Ausgleichsanspruchs aufgrund der vollständigen Herausnahme einzelner Gegenstände aus dem Zugewinnausgleich nur durch einen Verzicht auf den eventuellen Anspruch des durch den Vertrag begünstigten Ehegatten vermieden werden kann.

Im Hinblick auf diese Frage hat das OLG die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die zu erwartende Entscheidung des BGH steht noch aus (Geschäftszeichen: BGH XII ZB 143/12).

 

Link zur Entscheidung

OLG Nürnberg, Beschluss vom 16.02.2012, 9 UF 1427/11

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