Leitsatz

Ein Rechtsanwalt, der einen fristgebundenen Schriftsatz am letzten Tag der Frist per Fax einreichen will, muss sicherstellen, dass auf die Faxnummer des Empfängers ohne Schwierigkeiten zugegriffen werden kann.

 

Sachverhalt

Der Beklagte sollte gegen ein LG-Urteil Rechtsmittel zum OLG einlegen. Die Berufungsschrift ging am letzten Tag der Berufungsfrist kurz nach 16.00 Uhr auf dem Faxgerät des LG ein. Ein Mitarbeiter des LG brachte die Berufungsschrift am Morgen des Folgetags, mithin verspätet, in die Einlaufstelle des OLG. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags trug der Anwalt vor, er habe eine Mitarbeiterin mit der Übermittlung der Rechtsmittelschrift beauftragt. Als diese gegen 16.00 Uhr den unterschriebenen Schriftsatz an das OLG faxen wollte, habe sie festgestellt, dass die Faxnummer unbekannt sei. In der Geschäftsstelle des OLG sei telefonisch niemand mehr zu erreichen gewesen. Sie habe sich darauf mit dem LG verbinden lassen, weil ihr dessen Faxnummer aus den Akten bekannt gewesen sei. Dort habe man ihr versichert, den Schriftsatz umgehend weiterzuleiten. Deshalb habe sie das Rechtsmittel an das LG gefaxt und sich den Eingang anschließend telefonisch bestätigen lassen. Die Mitarbeiterin habe geglaubt, die Frist werde gewahrt, weil der Schriftsatz umgehend weitergeleitet werde. Nach seiner Rückkehr in die Kanzlei habe der Beklagte die Mitarbeiterin ausdrücklich gefragt, ob die Berufung eingelegt sei. Sie habe das bejaht und berichtet, dass sie sich nach dem Eingang telefonisch erkundigt habe. Der Mitarbeiterin sei es nicht wichtig erschienen, den Vorgang vollständig zu berichten. Der BGH versagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dennoch.

 

Entscheidung

Ein Gericht, bei dem ein Verfahren anhängig war, muss bei ihm eingereichte fristgebundene Schriftsätze für das Rechtsmittelverfahren an das zuständige Rechtsmittelgericht weiterleiten. Wird ein solcher Schriftsatz so zeitig eingereicht, dass die fristgerechte Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, ist der Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn der Schriftsatz nicht rechtzeitig an das Rechtsmittelgericht gelangt[1]. Diese Voraussetzungen sah der BGH im Streitfall aber nicht als gegeben an. Selbst wenn die Geschäftsstelle des LG ausdrücklich zugesagt hat, den ihr zugefaxten Schriftsatz an das OLG weiterzuleiten, durfte die Mitarbeiterin des Beklagten nicht darauf vertrauen, dass die Berufungsschrift noch am selben Tage in die Einlaufstelle des OLG gelangte. Entscheidend für die Fristversäumung war nämlich kein weisungswidriges Fehlverhalten der Mitarbeiterin des Berufsangehörigen, sondern der von diesem zu verantwortende organisatorische Mangel, dass die Faxnummer des OLG nicht zur Verfügung stand. Ein Rechtsanwalt, der einen fristgebundenen Schriftsatz am letzten Tag der Frist per Fax einreichen will, muss uneingeschränkt sicherstellen, dass auf die Faxnummer des Empfängers ohne Schwierigkeiten zugegriffen werden kann[2].

 

Link zur Entscheidung

BGH-Beschluss vom 18.9.2003, IX ZB 604/02

[2] Grundlegend BGH-Beschluss vom 26.5.1994, III ZB 35/93, NJW 1994, S. 2300

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