Leitsatz (amtlich)

Ein Rechtsanwalt, der einen fristgebundenen Schriftsatz am letzten Tag der Frist per Fax einreichen will, muss sicherstellen, dass auf die Faxnummer des Empfängers ohne Schwierigkeiten zugegriffen werden kann.

 

Normenkette

ZPO § 233

 

Verfahrensgang

OLG Nürnberg (Beschluss vom 25.11.2002)

LG Nürnberg-Fürth

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des OLG Nürnberg v. 25.11.2002 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 21.865,74 Euro.

 

Gründe

I.

Durch Urt. v. 9.8.2002 hat das LG Nürnberg-Fürth eine Klage, die der Kläger gegen die Beklagten in einer Anwaltshaftungssache erhoben hatte, abgewiesen. Gegen das am 14.8.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift ging am Montag, den 16.9.2002 kurz nach 16.00 Uhr auf dem Faxgerät des LG Nürnberg-Fürth ein. Ein Mitarbeiter des LG brachte die Berufungsschrift am Morgen des 17.9.2002 in die Einlaufstelle des OLG Nürnberg, das sich in demselben Gebäude befindet. Mit Schriftsatz v. 30.9.2002 hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung hat sein Prozessbevollmächtigter vorgetragen:

Er habe seiner Mitarbeiterin am 16.9.2002 den Auftrag erteilt, die Berufungsschrift zu fertigen, sie seinem Kanzleikollegen zur Prüfung und Unterschrift vorzulegen und zur Fristwahrung an das zuständige Rechtsmittelgericht zu faxen. Als die Mitarbeiterin gegen 16.00 Uhr den unterschriebenen Schriftsatz an das OLG Nürnberg habe faxen wollen, habe sie festgestellt, dass sie die Faxnummer nicht gekannt habe. In der Geschäftsstelle des OLG sei telefonisch niemand mehr zu erreichen gewesen. Deshalb habe sie sich mit dem LG verbinden lassen, weil ihr die Faxnummer des LG aus den Akten bekannt gewesen sei. Die Dame vom LG habe die Frage, ob sie einen per Fax gesendeten Schriftsatz entgegennehme, bejaht. Daraufhin habe sie ihr die Berufungsschrift gefaxt. Danach habe sie die Dame nochmals angerufen und sich den Eingang bestätigen lassen. Sie habe auch gefragt, ob die Dame das Schriftstück weiterleitete. Das habe diese zugesagt. Die Mitarbeiterin habe geglaubt, damit werde die Frist gewahrt, weil sie davon ausgegangen sei, dass der Schriftsatz umgehend weitergeleitet werde. Nach seiner Rückkehr in die Kanzlei habe der Prozessbevollmächtigte die Mitarbeiterin gefragt, ob die Berufung eingelegt sei. Sie habe das bejaht und berichtet, dass sie sich den Eingang telefonisch habe bestätigen lassen. Der Mitarbeiterin sei es nicht wichtig erschienen, den Vorgang vollständig zu berichten.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das OLG den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, weil die Versäumung der Berufungsfrist auf eine nicht ausreichende Büroorganisation zurückzuführen sei. Bei einer Kanzlei, der mehrere bei dem OLG Nürnberg zugelassene Rechtsanwälte angehörten, sei zu erwarten, dass den Mitarbeitern ein Verzeichnis zur Verfügung stehe, in dem die Anschriften und Telefaxnummern zumindest der Gerichte notiert seien, an die erwartungsgemäß häufiger Schriftsätze versandt würden. Außerdem gehöre es zu den organisatorischen Aufgaben eines Rechtsanwalts, die Mitarbeiter darüber zu informieren und anzuweisen, was zu tun sei, wenn es zu Störungen bei der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen per Fax komme.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers, mit der er seinen Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt und die Aufhebung des die Berufung verwerfenden Beschlusses erstrebt.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 238 Abs. 2 S. 1, 522 Abs. 1 S. 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), aber unzulässig, weil der Kläger einen Zulassungsgrund (§ 574 Abs. 2 ZPO) nicht dargetan hat (§ 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Insbesondere zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf, dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO).

1. Zwar muss ein Gericht, bei dem ein Verfahren anhängig war, bei ihm eingereichte fristgebundene Schriftsätze für das Rechtsmittelverfahren an das zuständige Rechtsmittelgericht weiterleiten. Wird ein solcher Schriftsatz so zeitig eingereicht, dass die fristgerechte Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, ist der Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn der Schriftsatz nicht rechtzeitig an das Rechtsmittelgericht gelangt (BVerfG v. 20.6.1995 - 1 BvR 166/93, NJW 1995, 3173 [3175]). Diese Voraussetzungen treffen im Streitfall aber nicht zu. Im ordentlichen Geschäftsgang war die am Tage des Fristablaufs nach 16.00 Uhr beim LG eingegangene Berufungsschrift nicht mehr fristgerecht an das zuständige OLG Nürnberg weiterzuleiten. Falls die Mitarbeiterin der Geschäftsstelle des LG ausdrücklich zugesagt hat, den ihr zugefaxten Schriftsatz an das OLG Nürnberg weiterzuleiten, durfte die Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht darauf vertrauen, dass die Berufungsschrift noch am selben Tage in die Einlaufstelle des OLG gelangte. Denn eine Zusage, für eine fristgerechte Überbringung noch am selben Tage zu sorgen, wird nicht behauptet.

2. Die Rechtsbeschwerde legt ferner nicht dar, dass die Erwägungen des Berufungsgerichts von der Rechtsprechung des BGH abweichen (vgl. insoweit BGH, Beschl. v. 9.1.2001 - VIII ZB 26/00, MDR 2001, 540 = BGHReport 2001, 308 = NJW-RR 2001, 782 f.; v. 5.11.2002 - VI ZR 399/01, MDR 2003, 238 = BGHReport 2003, 253 = NJW 2003, 435 f.). Entscheidend für die Fristversäumung war im Streitfall nicht ein weisungswidriges Fehlverhalten der Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten des Klägers, sondern der von dem Prozessbevollmächtigten zu verantwortende organisatorische Mangel, dass die Faxnummer des OLG Nürnberg nicht zur Verfügung stand, als sie gebraucht wurde. Ein Rechtsanwalt, der einen fristgebundenen Schriftsatz am letzten Tag der Frist per Fax einreichen will, muss sicherstellen, dass auf die Faxnummer des Empfängers ohne Schwierigkeiten zugegriffen werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 26.5.1994 - III ZB 35/93, NJW 1994, 2300).

 

Fundstellen

BB 2003, 2711

NJW 2004, 516

Inf 2004, 10

BGHR 2004, 274

FamRZ 2004, 262

ZAP 2004, 64

MDR 2004, 291

VersR 2005, 94

RENOpraxis 2004, 41

KammerForum 2004, 140

Mitt. 2004, 94

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