Leitsatz

Waren notwendige Streitgenossen in einem Termin zur mündlichen Verhandlung säumig, können sie eine Prozesshandlung, die ein anwesender Streitgenosse mit Wirkung für sie vorgenommen hat, in den Tatsacheninstanzen in nachfolgenden mündlichen Verhandlungen widerrufen.

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer genehmigen durch Beschluss die Beauftragung von Rechtsanwalt C zur Vertretung der Wohnungseigentümer in 2 Anfechtungsverfahren, die sich um die Bestellung des Verwalters ranken. Gegen diesen Beschluss wendet sich Wohnungseigentümer K im Wege der Anfechtungsklage.
  2. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht erscheinen der vom Verwalter für sämtliche beklagten Wohnungseigentümer beauftragte Rechtsanwalt C sowie die Wohnungseigentümer A und B, die keine Vertretung durch C wünschen. K stellt den Klageantrag. C und B stellen keinen Antrag. A erklärt, er erkenne die Klage an. Das Amtsgericht gibt der Klage durch Anerkenntnisurteil statt. Die dagegen gerichtete Berufung bleibt erfolglos. Mit der Revision wollen alle beklagten Wohnungseigentümer mit Ausnahme von A und B die Abweisung der Anfechtungsklage erreichen. In der Revision ist unter anderem auch streitig, ob der Revisionsanwalt Dr. N die beklagten Wohnungseigentümer vertreten kann.
 

Die Entscheidung

  1. Die Revision sei zulässig. Rechtsanwalt Dr. N sei aufgrund der ihm vom Verwalter erteilten Prozessvollmacht berechtigt, die beklagten Wohnungseigentümer mit Ausnahme von A und B zu vertreten (§ 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG). Seine Vollmacht sei wirksam. Dass der Beschluss, durch den der Verwalter bestellt worden war, für ungültig erklärt worden sei, ändere nichts (Hinweis unter anderem auf BGH v. 21.6.2007, V ZB 20/07, NJW 2007 S. 2776 Rn. 9). Ob die Vertretungsmacht des Verwalters auch bestanden hatte, wenn er gemäß § 45 Abs. 1 Halbsatz 2 WEG als Zustellungsvertreter ausgeschlossen gewesen wäre, bedürfe keiner Entscheidung. Denn die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien nicht erfüllt. Aufgrund des Streitgegenstands bestehe nicht die Gefahr, der Verwalter werde die Wohnungseigentümer nicht sachgerecht unterrichten. Gegenstand der Anfechtungsklage sei der Beschluss über die Beauftragung von Rechtsanwalt C zur Vertretung in einem Anfechtungsverfahren. Das Anfechtungsverfahren richte sich gegen einen Beschluss, mit dem die B. GmbH zur Verwalterin bestellt worden sei. Schon weil die B. GmbH nicht die Verwalterin sei, die Rechtsanwalt Dr. N. bevollmächtigt habe, könne sich aus dem Streitgegenstand des hiesigen Verfahrens kein Interessenkonflikt zwischen ihr und den von ihr vertretenen übrigen Wohnungseigentümern ergeben. Dass sich die übrigen Wohnungseigentümer nicht ordnungsgemäß über den Rechtsstreit unterrichtet fühlen, sei unerheblich. Der Verwalter bleibe auch dann gesetzlicher Zustellungsvertreter, wenn er seiner Pflicht, die Wohnungseigentümer unverzüglich darüber zu unterrichten, dass ein Rechtsstreit gemäß § 43 WEG anhängig ist (§ 27 Abs. 1 Nr. 7 WEG), nicht nachkomme. Dass ein Verwalter im "Beschlussmängelprozess" nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG befugt sei, für die beklagten Wohnungseigentümer einen Rechtsanwalt zu mandatieren, schließe allerdings nicht aus, dass einzelne Wohnungseigentümer einen eigenen Rechtsanwalt beauftrage oder eine Vertretung durch den vom Verwalter eingeschalteten Anwalt ablehne. So verhalte es sich bei A und B, die ihre Interessen vor dem Amtsgericht selbst wahrgenommen und bereits dort zum Ausdruck gebracht hätten, nicht durch den Verwalter vertreten werden zu wollen. Demgemäß würden sie in der Revisionsinstanz durch den von dem Verwalter beauftragten Rechtsanwalt Dr. N nicht vertreten. § 62 Abs. 1 ZPO stehe dem nicht entgegen, weil die Rechtsmitteleinlegung kein einheitliches Vorgehen erfordere. Ein notwendiger Streitgenosse könne ein ihn beschwerendes Urteil hinnehmen. Die übrigen Streitgenossen seien deshalb nicht an der Durchführung eines Rechtsmittels gehindert; eine einheitliche Sachentscheidung werde dadurch gewährleistet, dass die Streitgenossen, die von der Einlegung eines Rechtsmittels abgesehen haben, in der bisherigen Parteirolle als Kläger oder Beklagte an dem Verfahren weiter zu beteiligen seien.
  2. Die Revision sei auch begründet. Bei den beklagten Wohnungseigentümern im Beschlussmängelprozess handle es sich um notwendige Streitgenossen. Säumige Streitgenossen würden im Termin zur mündlichen Verhandlung von den anwesenden grundsätzlich nach § 62 Abs. 1 ZPO vertreten werden und seien auch zur Abgabe eines Anerkenntnisses nach § 307 ZPO berechtigt. Die beklagten Wohnungseigentümer seien aber an das für sie von A abgegebene Anerkenntnis nicht mehr gebunden. Säumige Streitgenossen könnten sich von dem mit Gesamtwirkung nach § 62 Abs. 1 ZPO vorgenommenen Prozessverhalten des nicht Säumigen wieder losen, sofern es noch nicht zu einer unanfechtbaren Endentscheidung gekommen sei. Den säumigen Streitgenossen in den Tatsacheninstanzen sei es in nachfolgenden mündlichen Verhandlungen möglich, eine von dem anwesenden Streitgenossen mit Wirkung...

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