Wie schon nach alter Rechtslage, nennt auch § 19 Abs. 2 WEG n. F. lediglich Regelbeispiele von Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung und ist bei weitem nicht abschließend. Nach wie vor wird es zur Beantwortung der Frage, ob eine Maßnahme den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, maßgeblich auf den konkreten Einzelfall ankommen.

 
Praxis-Beispiel

Hausmeister

In einer Großanlage entspricht die Anstellung eines Hausmeisters ordnungsmäßiger Verwaltung. In einer Kleinanlage ganz sicher nicht. Hier wiederum entspricht aber durchaus die Beauftragung eines (ad hoc abrufbaren) Hausmeister-Services durchaus ordnungsmäßiger Verwaltung.[1]

[1] LG Frankfurt a. M., Urteil v. 17.5.2018, 2-13 S 26/17.

2.3.1 Weitere Rücklagen

Das WEMoG sieht in § 28 Abs. 1 Satz 1 i. V. m § 19 Abs. 1 WEG n. F. ausdrücklich die Möglichkeit der Bildung weiterer Rücklagen neben der Erhaltungsrücklage vor. In Betracht kämen hier

  • Liquiditätsrücklagen,
  • Rücklagen zur Finanzierung der Verteidigung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bei Beschlussklagen oder
  • Rücklagen zur Finanzierung von Maßnahmen der baulichen Veränderung bei Kostentragungsverpflichtung unter sämtlichen Wohnungseigentümern.

Stets wird es auch hier maßgeblich auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommen, ob entsprechende Beschlüsse ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Zu berücksichtigen ist insoweit in erster Linie die Finanzkraft der Wohnungseigentümer. In finanzschwachen Gemeinschaften dürfte noch die Bildung einer Liquiditätsrücklage ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Sollte zusätzlich noch eine Modernisierungsrücklage gebildet werden, dürfte dies bereits ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen, da Maßnahmen der Modernisierung zwar unbedingt sinnvoll, aber nicht zwingend durchzuführen sind.

Nach bisheriger Rechtslage haben die Wohnungseigentümer nicht die Möglichkeit, durch Beschluss mehrere getrennte Erhaltungsrücklagen, etwa getrennt nach Wohnungen und (Garagen-)Stellplätzen, zu bilden.[1] Dies wird künftig möglich sein, da der Wortlaut von § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG n. F. allgemein auf durch Beschluss vorgesehene Rücklagen abstellt.

[1] LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 27.3.2020, 2-13 S 56/19, ZMR 2020 S. 784.

2.3.2 Kreditaufnahme

Im Hinblick auf eine Kreditaufnahme ist zunächst zu beachten, dass der Verwalter gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG n. F. lediglich berechtigt ist, Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu treffen, die untergeordnete Bedeutung haben. Des Weiteren ordnet die neue Bestimmung des § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG n. F. eine Beschränkung der Vertretungsmacht des Verwalters bezüglich des Abschlusses von Grundstückskauf- und Darlehensverträgen an. Weder eine kurzfristige Kreditaufnahme, etwa in Überziehung des gemeinschaftlichen Girokontos, noch erst recht eine längerfristige Kreditaufnahme stellen eine Maßnahme dar, die von untergeordneter Bedeutung wäre. Stets muss der Verwalter für das eine wie das andere einen Beschluss herbeiführen. Insoweit aber verleiht ihm dann der zustande gekommene Beschluss auch die erforderliche Vertretungsmacht.

2.3.2.1 Kurzfristige Kreditaufnahme

Regelmäßig ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht ein Mehrheitsbeschluss, der kurzfristige Liquiditätsengpässe vermeiden soll.[1] Folgende Voraussetzungen sind zu beachten:

  • Der Kreditbetrag darf nicht eine Summe übersteigen, die das 3-fache der monatlichen Hausgeldzahlungen der Gesamtgemeinschaft übersteigt.[2]
  • Des Weiteren ist natürlich zu beachten, dass eine entsprechende Beschlussfassung nur dann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann, wenn tatsächlich ein Liquiditätsengpass besteht.
  • Schließlich dürfte eine Beschlussfassung zur generellen Kreditaufnahme bzw. Kontenüberziehung die Beschlusskompetenz der Gemeinschaft übersteigen, da Kreditaufnahme oder Kontenüberziehung stets mit einer Zinsbelastung und der persönlichen Teilhaftung der einzelnen Wohnungseigentümer gemäß § 10 Abs. 8 WEG a. F. bzw. § 9a Abs. 4 WEG n. F. hinsichtlich der Rückzahlung verbunden ist.

Bezogen auf die konkrete Wirtschaftsperiode dürfte ein entsprechender "Vorrats"-Beschluss nur dann ein Anfechtungsrisiko bergen, wenn die vorerwähnten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Im Beschluss selbst sollte jedenfalls klar zum Ausdruck kommen, dass die entsprechende Kreditaufnahme bzw. Kontenüberziehung ausschließlich dann erfolgen kann, wenn ein Liquiditätsengpass etwa infolge des Ausfalls von Hausgeldzahlungen einzelner Miteigentümer tatsächlich entstanden ist. Des Weiteren sollte der Verwalter durchaus auch bei einer Beschlussfassung über eine lediglich kurzzeitige Kreditaufnahme über das Risiko des § 9a Abs. 4 WEG n. F. aufklären.[3]

 

Beschlussmuster: Kreditaufnahme zur Vermeidung eines Liquiditätsengpasses

TOP XX: Kreditaufnahme zur Vermeidung eines Liquiditätsengpasses

Zur Vermeidung kurzzeitiger Liquiditätsengpässe der Gemeinschaft in der laufenden Wirtschaftsperiode 20__, insbesondere im Fall des Ausfalls von Hausgeldzahlungen einzelner Wohnungseigentümer, ist der Verwalter berechtigt, das Girokonto der Gemeinschaft kurzfristig und in begrenzter Höhe zu überziehen. Eine entsprechende Überzie...

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