4.4.1 Grundsätze

Trotz Ermöglichung der Beschlussfassung über die Teilnahme an Wohnungseigentümerversammlungen in elektronischer Form, verbleibt es bei dem Grundsatz, dass Wohnungseigentümerversammlungen nicht öffentlich sind.[1] Alles in allem sollen die Wohnungseigentümer unbefangen und ohne Einflussnahme gemeinschaftsfremder Dritter Gemeinschaftsangelegenheiten erörtern können. Insoweit können nicht Wohnungseigentümerversammlungen zweier selbstständiger, voneinander unabhängiger Wohnungseigentümergemeinschaften, die vom selben Verwalter verwaltet werden, gemeinschaftlich stattfinden.[2]

Dem Verwaltungsbeirat, der nicht Wohnungseigentümer ist, steht im Rahmen der Wohnungseigentümerversammlung bislang auch nur ein begrenztes Teilnahmerecht zu, nämlich soweit sein spezifischer Aufgabenbereich im Hinblick auf Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung betroffen ist. Nimmt er über diesen Bereich an der Versammlung teil, sind die dann gefassten Beschlüsse wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit anfechtbar.[3] Künftig werden Nichtwohnungseigentümer als Verwaltungsbeiräte gar kein Teilnahmerecht mehr haben, da das WEMoG in § 29 Abs. 1 WEG n. F. vorsieht, dass lediglich Wohnungseigentümer zum Verwaltungsbeirat bestellt werden "können".[4] Die Bestellung eines Nichtwohnungseigentümers zum Verwaltungsbeirat führt künftig zur Nichtigkeit dieser Bestellung. Hieraus folgt, dass nach Inkrafttreten des Verbotsgesetzes bislang gefasste Beschlüsse ihre Wirkung verlieren.

Der Gesetzgeber ermöglicht die Beschlussfassung über eine Online-Teilnahme einfach aus dem Grund, dass eine solche allein zeitgemäß ist und seit jeher die Gefahr bestanden hat, dass Wohnungseigentümer den Nichtöffentlichkeitsgrundsatz verletzen. Bereits Gerichte gehen dazu über, das Mitführen von Handys bzw. Smartphones im Rahmen von Gerichtsverhandlungen zu untersagen, da diese "auch Diktiergerät und Kamera" seien. Nichts anderes gilt für Wohnungseigentümerversammlungen, die ausschließlich in Präsenzform durchgeführt werden. Auch hier kann ein jeder Wohnungseigentümer versteckt und geheim Bild- und Tonaufnahmen fertigen. Auch wenn sich mit der Ermöglichung der Teilnahme in elektronischer Form die Gefahr des Missbrauchs noch erhöht, kann ein solcher niemals zeitgemäßer Durchführung von Wohnungseigentümerversammlungen entgegenstehen. Im Übrigen gilt aber der Grundsatz, dass zunächst außer den Wohnungseigentümern selbst, keine außenstehenden Dritten ein Teilnahmerecht haben.

4.4.2 Teilnahme Dritter

4.4.2.1 Gäste

Gäste haben grundsätzlich kein Teilnahmerecht an der Wohnungseigentümerversammlung. Da der Verwalter ohnehin zu Beginn der Versammlung im Rahmen der Prüfung der Beschlussfähigkeit kontrolliert, welche Wohnungseigentümer persönlich anwesend und welche Wohnungseigentümer vertreten sind, kann er Gäste herausfiltern. Er sollte dann zu Beginn der Versammlung die Wohnungseigentümer über die Anwesenheit der Gäste informieren und die Wohnungseigentümer über den Nichtöffentlichkeitsgrundsatz in Kenntnis setzen. Weiter sollte er um Mitteilung bitten, ob mit der Anwesenheit der Gäste Einverständnis besteht. Wenn auch nur einer der Wohnungseigentümer mit der Anwesenheit des Gastes nicht einverstanden ist, sollte der Verwalter diesen auffordern, den Versammlungsraum zu verlassen. Zwar wird angenommen, dass Gäste auch durch Geschäftsordnungsbeschluss zugelassen werden können[1], allerdings muss ein solcher Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Und dies dürfte stets dann nicht der Fall sein, wenn dem Gast nicht auch eine beratende Funktion im Gemeinschaftsinteresse zukommt – und zwar dergestalt, dass seine Teilnahme im Interesse eines jeden einzelnen der Versammlungsteilnehmer liegt.

 

Rügelose Duldung

Wenn die Anwesenheit des Dritten rügelos geduldet wird, liegt darin ein stillschweigender Verzicht auf die Einhaltung der Nichtöffentlichkeit.[2]

[1] LG München I, Urteil v. 29.1.2015, 36 S 2567/14, ZMR 2015 S. 490.

4.4.2.2 Berater

Was das Teilnahmerecht von Beratern angeht, sind zunächst die Bestimmungen der Gemeinschaftsordnung maßgeblich. Soweit hier ein ausdrückliches Teilnahmeverbot vereinbart ist, gilt dies und ist einzuhalten.[1] Aber auch dann, wenn kein ausdrückliches Teilnahmeverbot vereinbart ist, ist der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit zu beachten, wonach ein grundsätzliches Teilnahmeverbot Dritter besteht. Auch Berater haben also kein Teilnahmerecht. Besondere Gründe können aber eine Teilnahmeberechtigung begründen. Dies kann insbesondere bei einem ständigen persönlichen Erschwernis eines Wohnungseigentümers – etwa Schwerhörigkeit – der Fall sein. Dann kann auch die Teilnahme eines Rechtsanwalts als Begleitperson an der Versammlung zuzulassen sein. Eine beliebige andere Person ist...

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