Die alte Fassung des Wohnungseigentumsgesetzes enthielt keine Regelungen zu Maßnahmen der Barrierefreiheit. Im Zuge der WEG-Reform des Jahres 2007 hatte man bewusst von entsprechenden Regelungen abgesehen, "da insbesondere vor dem Hintergrund der Einführung des § 22 Abs. 2 WEG a. F. ausreichende Regelungsmöglichkeiten bestünden".[1] Auch der BGH ist der Auffassung, dass die bislang geltenden Regelungen des Wohnungseigentumsgesetzes im Hinblick auf den Schutz behinderter Wohnungseigentümer nicht evident unzureichend seien.[2]

Alte Rechtslage: Abwägung

Bislang waren die Interessen des behinderten Wohnungseigentümers gegenüber denjenigen der übrigen Wohnungseigentümer abzuwägen. Bei dieser Interessenabwägung war neben dem Grundrecht auf Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 GG, auf das sich sowohl der behinderte Wohnungseigentümer als auch die übrigen Wohnungseigentümer berufen konnten, aufseiten des behinderten Wohnungseigentümers Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG zu beachten, wonach niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Vor diesem Hintergrund verlieh die Rechtsprechung dem behinderten Wohnungseigentümer einen Anspruch auf

  • Zustimmung zur Anlegung eines behindertengerechten Wegs zur Wohnanlage des an den Rollstuhl gefesselten Erdgeschosseigentümers[3];
  • Anlage eines Rollstuhlwegs, wenn ansonsten die Erreichbarkeit von Sonder- und Gemeinschaftseigentum unbillig erschwert ist[4];
  • Einbau eines Treppenlifts im gemeinschaftlichen Treppenhaus[5];
  • Bau einer Rollstuhlrampe[6];
  • Einbau eines einklappbaren zweiten Handlaufs[7];
  • Einbau einer Tür im Bereich des vorhandenen Fensters.[8]

Grundsätzlich können die Wohnungseigentümer auf Grundlage von § 22 Abs. 2 WEG a. F. zwar auch den Einbau eines Aufzugs im Bereich des gemeinschaftlichen Treppenhauses als Maßnahme der Modernisierung beschließen. Allerdings hat ein behinderter Wohnungseigentümer hierauf nach derzeitiger Rechtslage keinen Anspruch.[9]

Dies wird sich unter Geltung des WEMoG ändern. Ob der Anbau eines Außenlifts für einen gehbehinderten Nutzer noch eine gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG n. F. privilegierte Maßnahme darstellen wird, muss unter dem Gesichtspunkt einer "grundlegenden Umgestaltung" des gemeinschaftlichen Eigentums beurteilt werden. Nach Auffassung des WEMoG-Gesetzgebers ist bei den privilegierten Maßnahmen des § 20 Abs. 2 WEG n. F. eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage "zumindest typischerweise gar nicht anzunehmen".[10] Dies schließt indes nicht aus, dass die Beurteilung im konkreten Einzelfall anders ausfallen kann. Nach alter Rechtslage stellt er eine bauliche Veränderung dar[11], weshalb er wegen einer "erheblichen Umgestaltung" der Eigentumsanlage nicht als Modernisierung beschlossen werden kann. Jedenfalls können bauliche Veränderungen nach § 20 Abs. 4 WEG n. F. auch künftig nicht verlangt werden, wenn sie die Wohnanlage grundlegend umgestalten. Freilich aber kann ein entsprechender Gestattungsbeschluss in Bestandskraft erwachsen, da die Wohnungseigentümer hier im Bereich des "Dürfens" entscheiden.[12]

Neue Rechtslage

 

Neu: Anspruch auf bauliche Veränderung, wenn erforderliche oder förderliche Nutzung für Menschen mit Behinderung

Nach künftiger Rechtslage dienen dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen alle baulichen Veränderungen, die für die Nutzung durch körperlich oder geistig eingeschränkte Personen erforderlich oder auch nur förderlich sind.

Hiervon umfasst sind sämtliche vorbeschriebenen Beispielsmaßnahmen. Die Vorschrift bezieht sich sowohl auf das gemeinschaftliche Eigentum, das sich im Bereich der Wohnung des Wohnungseigentümers befindet, als auch auf das übrige Gemeinschaftseigentum. Über § 13 Abs. 2 WEG n. F. gilt die Vorschrift zudem für das Sondereigentum. In allen Fällen kommt es allein darauf an, dass die bauliche Veränderung der tatsächlichen Wahrnehmung einer rechtlich bestehenden Gebrauchsmöglichkeit durch Menschen mit Behinderungen förderlich ist.

Ob und in welchem Umfang der Wohnungseigentümer oder einer seiner Angehörigen auf die Maßnahme angewiesen ist, spielt keine Rolle. Durch diese abstrakte Betrachtungsweise werden nach Auffassung des Gesetzgebers nicht nur Streitigkeiten über die Notwendigkeit im Einzelfall vermieden, sondern auch dem gesamtgesellschaftlichen Bedürfnis nach barrierefreiem oder barrierereduziertem Wohnraum Rechnung getragen.[13]

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