" … Die zulässige Berufung der Kl. ist begründet. Das Urteil des AG beruht auf einer Rechtsverletzung und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO)."

1. Das AG ist davon ausgegangen, dass sich die Kl. bei der Abrechnung ihres Kfz-Schadens aufgrund ihrer Berechtigung zum Vorsteuerabzug einen Umsatzsteueranteil i.H.v. 19 % vom sachverständig ermittelten (Brutto-)Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs anrechnen lassen muss. Das hält berufungsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Erwirbt der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug zu einem Preis, der dem in einem Sachverständigengutachten ausgewiesenen (Brutto-)Wiederbeschaffungswert des unfallbeschädigten Fahrzeuges entspricht oder diesen – wie hier – übersteigt, so kann er im Wege konkreter Schadensabrechnung die Kosten der Ersatzbeschaffung bis zur Höhe des (Brutto-)Wiederbeschaffungswertes des unfallbeschädigten Fahrzeuges – unter Abzug des Restwertes – ersetzt verlangen (BGH, st. Rspr.; vgl. BGHZ 162, 270; 164, 127 m.w.N.; ebenso OLG Düsseldorf r+s 2015, 470; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl.; § 249 Rn 26; Huber, JR 2006, 371, 374). Allerdings muss sich der Geschädigte, wenn er zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, den im Wiederbeschaffungswert enthaltenen Umsatzsteueranteil auf seinen Schaden anrechnen lassen. Der zum Vorsteuerabzug berechtigte Geschädigte erleidet zwar durch die konkrete Ersatzbeschaffung einen Schaden, der die Umsatzsteuer mit einschließt (§ 249 Abs. 2 S. 2 BGB), da die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht zur Befreiung von der Umsatzsteuer führt (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG; BGH, Urt. v. 6.6.1972 – VI ZR 49/71, VersR 1972, 973; vgl. auch Urt. v. 5.2.2013 – IV ZR 363/11, VersR 2013, 471 m.w.N.). Allerdings ist es ihm zuzumuten, dass er von seiner Befugnis zum Vorsteuerabzug Gebrauch macht, da dieser Vorteil eine adäquate Folge des Unfalls ist (vgl. BGH, Urt. v. 6.6.1973 a.a.O.; Urt. v. 18.3.2014 – VI ZR 10/13, VersR 2014, 849).

b) Vorliegend hat der Sachverständige der Kl. in seinem Gutachten den Brutto-Wiederbeschaffungswert des unfallbeschädigten Fahrzeugs auf 11.900 EUR beziffert und erläutert, dass vergleichbare Fahrzeuge überwiegend differenzbesteuert mit einem Steuersatz von 2,4 % angeboten werden. Die Richtigkeit dieser Einschätzung des Sachverständigen hat die Bekl. nicht in Abrede gestellt, so dass sich die Kl. nach den dargestellten Grundsätzen den vom Sachverständigen zugrunde gelegten Umsatzsteueranteil i.H.v. 2,4 %, mithin 278,91 EUR, als Vorteilsausgleich anrechnen lassen muss.

c) Die Kl. trifft auch keine Verletzung ihrer Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB. Die Bekl. können sich insoweit nicht darauf berufen, dass am Markt auch Fahrzeuge zu einem Preis von 11.900 EUR angeboten werden, die aber der Regelbesteuerung von 19 % unterliegen. Stellt ein Sachverständiger – wie hier – in seinem Schadensgutachten fest, dass zur Ersatzbeschaffung überwiegend differenzbesteuerte Fahrzeuge zur Verfügung stehen, darf der Geschädigte bei seiner Ersatzbeschaffung grds. auf die Richtigkeit dieser Feststellungen vertrauen und seinen Schaden auf dieser Grundlage abrechnen (zum Vertrauen des Geschädigten auf die Feststellungen seines Schadensgutachters vgl. BGH, Urt. v. 20.6.1972 – VI ZR 61/71, NJW 1972, 1800; BGHZ 143, 189; Urt. v. 6.4.1993 – VI ZR 181/92, VersR 1993, 769; Kammer, Urt. v. 23.1.2015 – 13 S 199/14, NJW-RR 2015, 478). In einem solchen Fall ist auch der zum Vorsteuerabzug berechtigte Geschädigte nicht verpflichtet, nach Fahrzeugen zu suchen, die der Regelbesteuerung unterliegen, nur um den Schädiger um den gegenüber der Differenzbesteuerung höheren Umsatzsteueranteil der Regelbesteuerung zu entlasten.

d) Damit ergibt sich folgende Abrechnung des konkreten Wiederbeschaffungsaufwands:

 
Brutto-Wiederbeschaffungswert: 11.900 EUR
./. Restwert: 6.500 EUR
./. Vorteilsausgleich (2,4 % USt.): 278,91 EUR
Gesamt 5.121,09 EUR
./. gezahlter 3.924,37 EUR
Verbleiben 1.196,72 EUR

2. Der Zinsausspruch folgt aus § 291 BGB.“

Mitgeteilt vom Präsidenten des LG Hans-Peter Freymann, Saarbrücken

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