Leitsatz

Nachdem die Kindesmutter, die allein für das Kind L. sorgeberechtigt war, am 20.11.2010 infolge der bei einem Verkehrsunfall erlittenen Verletzungen verstorben war, hatte das AG die Vormundschaft angeordnet und zum Vormund für das Kind das Jugend- und Betreuungsamt des zuständigen Landkreises bestellt.

Der Vormund hatte beim Familiengericht beantragt, für das Kind L. einen Ergänzungspfleger mit dem Wirkungskreis der Vertretung des Kindes zur Regelung des Nachlasses und zur Geltendmachung der Ansprüche gegen die Versicherungsgesellschaft zu bestellen. Zur Begründung wurde angeführt, aufgrund des tödlichen Unfalls der Kindesmutter sei es erforderlich, für das Kind etwaige Forderungen ggü. der Haftpflichtversicherung des potentiellen Unfallverursachers zu prüfen und diese ggf. auch gerichtlich durchzusetzen. Für die zu besorgende Angelegenheit fehle es dem Vormund an erforderlicher Sachkunde und Erfahrung.

Das AG hat dem Vormund auf seinen Antrag hin mitgeteilt, es bedürfe der Bestellung eines Ergänzungspflegers mit den vorgenannten Wirkungskreisen nicht, da eine bloße rechtliche Unkenntnis die Bestellung eines Ergänzungspflegers nicht rechtfertige. Vielmehr obliege es dem Vormund, einen entsprechenden Fachmann zu Rate zu ziehen.

Das AG hat den Antrag des Vormundes auf Anordnung einer Ergänzungspflegschaft zurückgewiesen.

Hiergegen richtete sich die Beschwerde des Vormundes. Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.

 

Sachverhalt

Siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG wies zunächst darauf hin, dass es sich bei der Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft um eine Kindschaftssache i.S.d. § 151 Nr. 5 FamFG handele, die eine Endentscheidung darstelle und der Beschwerde gemäß § 58 ff. FamFG unterliege.

Im Ergebnis bleibe das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg.

Das Familiengericht habe zu Recht den Antrag auf Bestellung eines Ergänzungspflegers zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft seien nicht gegeben. Die Regelung des Nachlasses der verstorbenen Kindesmutter nebst einer Prüfung der Geltendmachung von Ansprüchen für das Kind aus dem Verkehrsunfallgeschehen gehörten bereits zum Aufgabengebiet des bestellten Vormundes, der gemäß § 1793 das Recht und die Pflicht habe, für die Person und das Vermögen des Mündels zu sorgen.

Ein Ergänzungspfleger gemäß § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB sei für solche Angelegenheiten zu bestellen, an deren Besorgung der Vormund gehindert sei, die Angelegenheit ohne Pfleger mithin nicht wirksam erledigt werden könne. Die Verhinderung könne sowohl tatsächlicher als auch rechtlicher Natur sein. In Rechtsprechung und Literatur sei anerkannt, dass auch das Fehlen der für eine zu besorgende Angelegenheit erforderlichen Sachkunde oder Erfahrung beim Vormund eine tatsächliche Verhinderung begründen könne. Im vorliegenden Fall seien die Voraussetzungen für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft jedoch nicht ersichtlich. Wie jeder Vormund übe das Jugendamt als Amtsvormund seine Tätigkeit in eigener Verantwortung und grundsätzlich selbständig aus. Mithin bestehe grundsätzlich kein Bedürfnis für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft, wenn das Jugendamt als Amtsvormund bestellt worden sei (vgl. Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1909 Rz. 7).

Vorliegend bestehe auch für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft kein besonderes Bedürfnis, das durch einen gegenwärtigen konkreten Anlass begründet sei. Ein etwaiger Mangel an rechtlichen Kenntnissen könne der Vormund durch die Hinzuziehung fachlichen Rates ausgleichen. Es sei in erster Linie Sache des Sorgerechtsinhabers, einen etwaigen Mangel an Eignung in Eigenverantwortung auszugleichen durch die Inanspruchnahme sachkundiger Beratung, die innerhalb der Behörde Landratsamt etwa durch das Rechtsdezernat ermöglicht werden könnte oder durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts als sachkundige Person (vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, 4. Aufl., § 75 V 2).

 

Link zur Entscheidung

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 13.12.2010, 13 UF 96/10

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