Leitsatz

Leitsatz: Das gesetzliche Vorkaufsrecht steht dem Mieter einer umgewandelten Eigentumswohnung auch im freien Wohnungsbau nur für den ersten Verkaufsfall nach der Umwandlung zu. Es besteht deshalb nicht, wenn die Eigentumswohnung vor dem am 1.9.1993 erfolgten In-Kraft-Treten des § 570b BGB a. F., der Vorgängerbestimmung des § 577 BGB, bereits einmal verkauft worden ist und nach diesem Zeitpunkt erneut verkauft wird (im Anschluss an Senatsurteil BGHZ 141, 194 – amtlicher Leitsatz des BGH).

 

Normenkette

BGB § 577

 

Kommentar

Der Mieter hatte im Januar 1983 eine Wohnung in einem Anwesen angemietet, das kurz nach Abschluss des Mietvertrags in Wohnungseigentum aufgeteilt wurde. Die Wohnung wurde im Februar 1983 veräußert. Der Erwerber wurde im Januar 1984 als neuer Eigentümer ins Grundbuch eingetragen. Im November 2003 hat der Erwerber die Wohnung weiter veräußert, ohne den Mieter über den Abschluss des Kaufvertrags zu unterrichten. Der Mieter hat die Ansicht vertreten, dass ihm das gesetzliche Vorkaufsrecht nach § 577 BGB zugestanden habe. Er hat die Feststellung begehrt, dass ihm ein Schadensersatzanspruch wegen Vereitelung des Vorkaufsrechts zustehe. Seine Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Nach § 577 Abs. 1 S. 1 BGB steht dem Mieter ein Vorkaufsrecht zu, wenn "vermietete Wohnräume, an denen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist …, an einen Dritten verkauft werden". Die Regelung ist durch das Vierte Mietrechtsänderungsgesetz (MÄG) mit Wirkung vom 1.9.1993 als § 570b in das BGB eingefügt und dem für den preisgebundenen Wohnraum geltenden § 2b WoBindG nachgebildet worden. Nach der Übergangsbestimmung in Art. 6 Abs. 4 MÄG war die Vorschrift auf Kaufverträge, die vor dem 1.9.1993 abgeschlossen worden sind, nicht anzuwenden. Durch das Mietrechtsreformgesetz wurde die Regelung in § 570b BGB a. F. als § 577 BGB n. F. ohne Inhaltsänderung übernommen.

Bei dieser Rechtslage steht zunächst fest, dass dem Mieter anlässlich des Verkaufs im Februar 1983 kein Vorkaufsrecht zugestanden hat. Streitig ist dagegen, ob der Ausschluss auch für einen weiteren Verkauf nach dem 1.9.1993 gilt. Hierzu wurden in Rechtsprechung und Literatur folgende Ansichten vertreten:

1. Das Vorkaufsrecht besteht bei jedem Weiterverkauf (Palandt/Weidenkaff, § 577 BGB Rdn. 4).

2. Das Vorkaufsrecht besteht für alle Verkaufsfälle nach dem 31.8.1993 (Blank in: Schmidt-Futterer, § 577 BGB Rdn. 3).

3. Das Vorkaufsrecht besteht nur für den ersten Verkaufsfall nach dem 31.8.1993 (LG Oldenburg, WuM 1997, 436).

4. Das Vorkaufsrecht besteht nur für den ersten Verkaufsfall. Ist die Wohnung vor dem 1.9.1993 bereits einmal verkauft worden, so ist das Vorkaufsrecht für alle weiteren Verkaufsfälle ausgeschlossen (Lammel, Wohnraummietrecht, § 577 BGB Rdn. 5; Rolfs in: Emmerich/Sonnenschein, § 577 Rdn. 31).

Der BGH folgt der unter Ziff. 4 genannten Ansicht. Er folgert dies aus dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 4 MÄG und dem Sinn und Zweck des § 577 BGB. Der BGH (Urteil v. 14.4.1999, BGHZ 141, 194) hatte bereits entschieden, dass das Vorkaufsrecht nach § 2b WoBindG der spekulativen Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen entgegenwirken soll. Das Spekulationsinteresse des Umwandlers werde durch den ersten Verkauf der Wohnung verwirklicht. Deshalb sei der Anwendungsbereich des § 2b WoBindG auf den ersten Verkauf zu beschränken. Für die Umwandlung frei finanzierter Wohnungen gelte nichts anderes.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 29.03.2006, VIII ZR 250/05

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