Leitsatz

Gegenstand des Verfahrens war die Frage, unter welchen Voraussetzungen nach vorausgegangener Selbstablehnung ein abgelehnter Richter selbst über das Ablehnungsgesuch befinden darf.

 

Sachverhalt

Zwischen getrennt lebenden Eheleuten war das Ehescheidungsverfahren rechtshängig. Im Verbund war neben dem Versorgungsausgleich auch der Zugewinnausgleich und der nacheheliche Unterhalt der Ehefrau zu regeln. Ferner stritten die Parteien in einem Unterhaltsverfahren um die Abänderung eines gerichtlichen Vergleichs zum Trennungsunterhalt und Unterhalt für zwei aus der Ehe hervorgegangene Kinder. Geschäftsplanmäßig zuständiger Richter für beide Verfahren war der Richter am AG B.

Der zuständige Richter teilte mit Verfügung vom 24.8.2009 den Prozessbevollmächtigten in beiden Verfahren mit, es sei anlässlich eines Elternabends in der von seinen Kindern besuchten Schule festgestellt worden, dass seine Zwillinge dieselbe Klasse besuchte wie das gemeinsame Kind der Parteien. Er forderte die Parteien auf, binnen einer Woche mitzuteilen, soweit hieraus die Besorgnis der Befangenheit resultieren sollte, der erkennende Richter werde nicht unparteiisch und voreingenommen über den Rechtsstreit entscheiden. Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragte daraufhin mit Schriftsatz vom 1.9.2009 zum Unterhaltsverfahren, das Verfahren an einen anderen Richter des AG abzugeben und äußerte für seinen Mandanten die Besorgnis der Befangenheit des zuständigen Richters, der am 3.9.2009 eine dienstliche Stellungnahme fertigte und mit dieser dienstlichen Stellungnahme die Akten beider Verfahren der für Entscheidungen für Ablehnungsgesuche zuständigen "anderen Richterin" des AG gemäß § 45 Abs. 2 S. 1 ZPO vorlegte. Diese sandte die Akten ohne Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zurück, da aus der dienstlichen Stellungnahme zu entnehmen sei, dass der abgelehnte Richter das Gesuch für zulässig und begründet halte. Es bedürfe daher gemäß § 45 Abs. 2 S. 2 ZPO keiner Entscheidung. Die Akten seien dem ordentlichen Vertreter vorzulegen.

Mit Verfügung vom 14.9.2009 legte Richter am AG B. die Akten beider Verfahren seinem Vertreter unter Hinweis auf § 45 Abs. 2 S. 2 ZPO zur Übernahme vor und vermerkte hierzu, er halte das Ablehnungsgesuch aus den Gründen seiner dienstlichen Stellungnahme für zulässig und begründet.

Der Vertreter lehnte die Übernahme der Verfahren ab und legte die Akten dem OLG zur Bestimmung des zuständigen Richters vor. Er sehe in eventuellen Kontakten, die zukünftig zwischen den Kindern entstehen könnten, keinen Grund, der eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertige.

 

Entscheidung

Das OLG hielt die Vorlage für grundsätzlich zulässig, sah sich jedoch an einer Entscheidung gehindert, da die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nicht vorlägen. Das AG habe vielmehr in eigener Zuständigkeit über die Selbstablehnung des Richters am AG B. zu entscheiden. Zu diesem Zweck wurden die Verfahren an das AG zurückgegeben (vgl. KG, OLGR 2008, 951, 952).

Nach Auffassung des OLG war das AG zu Unrecht davon ausgegangen, dass Richter am AG B. durch die Annahme des Ablehnungsgesuchs § 45 Abs. 2 S. 2 ZPO aus dem Verfahren ausgeschieden und an seiner Stelle sein Vertreter tätig geworden sei.

Im vorliegenden Fall seien die Voraussetzungen, unter denen der abgelehnte Richter selbst über das Ablehnungsgesuch habe befinden dürfen, nicht erfüllt gewesen, da dem Ablehnungsgesuch des Beklagten eine Selbstablehnung des zuständigen Richters vorausgegangen sei, über die nach § 48 ZPO ein anderer Richter des AG hätte entscheiden müssen.

Nach allgemeiner Auffassung sei die Anwendung des § 45 Abs. 2 S. 2 ZPO ausgeschlossen, wenn der zuständige Richter Umstände anzeige, die seine Ablehnung rechtfertigen könnten und er damit das Verfahren der Selbstablehnung nach § 48 ZPO einleite. Er habe in diesem Fall die Akten zusammen mit einer dienstlichen Äußerung dem für die Erledigung des Ablehnungsgesuchs geschäftsplanmäßig zuständigen "anderen Richter" des AG gemäß § 45 Abs. 2 S. 1 ZPO zur Entscheidung vorzulegen. Dieser habe den Parteien rechtliches Gehör zu gewähren und sodann über die Selbstablehnung zu entscheiden. Dies gelte auch dann, wenn eine Partei die Anzeige von möglichen Befangenheitsgründen durch den zuständigen Richter am AG zum Anlass nehme, ein Ablehnungsgesuch zu stellen. Würde hier der abgelehnte Richter das Gesuch gemäß § 45 Abs. 2 S. 2 ZPO für begründet erachten, hätte er im Ergebnis selbst über seine Selbstablehnung entschieden und damit den Parteien die Entscheidung durch den zuständigen "anderen Richter" der §§ 48, 45 Abs. 2 S. 1 ZPO genommen.

 

Link zur Entscheidung

OLG Braunschweig, Beschluss vom 24.08.2009, 3 WF 101/09

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