Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für die Zuständigkeitsbestimmung bei Selbstablehnung eines Richters

 

Leitsatz (redaktionell)

Der geschäftsplanmäßige Vertreter des abgelehnten Richters im amtsgerichtlichen Verfahren ist an die Stattgabe des Ablehnungsgesuchs durch den abgelehnten Richter gebunden. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die verfahrensmäßigen Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 2 ZPO vorliegen. Diese Voraussetzungen hat der Vertreter des abgelehnten Richters zu prüfen und im Fall eines Kompetenzkonflikts eine Zuständigkeitsbestimmung durch das zunächst höhere Gericht herbeizuführen.

 

Normenkette

ZPO §§ 48, 45 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

AG

 

Tenor

Das Gesuch des AG - Familiengerichts - ... auf Bestimmung des zuständigen Richters in den Verfahren ... F.../07 und ... F.../05 wird abgelehnt.

Die Verfahren werden mit der Maßgabe an das AG zurückgegeben, dass gem. §§ 48, 45 Abs. 2 Satz 1 ZPO über die Selbstablehnung des Richters am AG B. durch den hierfür geschäftsplanmäßig zuständigen anderen Richter bzw. die andere Richterin zu entscheiden ist.

 

Gründe

I. Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Das Ehescheidungsverfahren ... F.../05 ist seit Januar 2006 beim AG - Familiengericht - ... rechtshängig und hat im Verbund neben dem Versorgungsausgleich auch den Zugewinnausgleich und nachehelichen Unterhalt der Klägerin zum Gegenstand. Daneben streiten die Parteien in dem Unterhaltsverfahren ... F.../07 um die Abänderung eines gerichtlichen Vergleichs zum Trennungsunterhalt und Unterhalt für zwei aus der Ehe hervorgegangene Kinder. Geschäftsplanmäßig zuständiger Richter für beide Verfahren ist Richter am AG B.

Mit Verfügung vom 24.8.2009 teilte der zuständige Richter den Prozessbevollmächtigten in beiden Verfahren mit, es sei anlässlich eines Elternabends in der von seinen Kindern besuchten Schule festgestellt worden, dass seine Zwillinge dieselbe Klasse besuchten wie das gemeinsame Kind der Parteien ... Er forderte die Parteien auf, binnen 1 Woche mitzuteilen, soweit hieraus die Besorgnis resultieren sollte, der erkennende Richter werde nicht unparteiisch und unvoreingenommen über den Rechtsstreit entscheiden. Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragte daraufhin mit Schriftsatz vom 1.9.2009 zum Unterhaltsverfahren, das Verfahren an einen anderen Richter des AG abzugeben, da sein Mandant aufgrund der vom Amtsrichter dargestellten Umstände befürchte, dass dieser nicht unparteiisch und unvoreingenommen über den Rechtsstreit entscheiden werde.

Am 3.9.2009 fertigte der zuständige Richter eine dienstliche Stellungnahme zu dem Ablehnungsgesuch, in der er sich mit den Voraussetzungen einer Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit unter dem Gesichtspunkt der besonderen Beziehungen zu einer Partei auseinandersetzte. Mit dieser dienstlichen Stellungnahme legte er die Akten beider Verfahren der für Entscheidungen über Ablehnungsgesuche zuständigen "anderen Richterin" des AG (§ 45 Abs. 2 Satz 1 ZPO) vor. Diese sandte die Akten ohne Entscheidung über das Ablehnungsgesuchs zurück, da aus der dienstlichen Stellungnahme zu entnehmen sei, dass der abgelehnte Richter das Gesuch für zulässig und begründet halte; es bedürfe daher gem. § 45 Abs. 2 Satz 2 ZPO keiner Entscheidung; die Akten seien dem ordentlichen Vertreter vorzulegen.

Mit Verfügung vom 14.9.2009 legte Richter am AG B. die Akten beider Verfahren seinem Vertreter unter Hinweis auf § 45 Abs. 2 Satz 2 ZPO zur Übernahme vor und vermerkte hierzu, er halte das Ablehnungsgesuch aus den Gründen seiner dienstlichen Stellungnahme für zulässig und begründet. Der Vertreter hat die Übernahme der Verfahren abgelehnt und die Akten dem OLG zur Bestimmung des zuständigen Richters vorgelegt. Er sieht in eventuellen Kontakten, die zukünftig zwischen den Kindern entstehen könnten, keinen Grund, der eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertige.

II. Die Vorlage ist grundsätzlich zulässig; in der Sache ist der Senat hier jedoch an einer Entscheidung gehindert, weil die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nicht vorliegen. Das AG hat vielmehr in eigener Zuständigkeit über die Selbstablehnung des Richters am AG B. zu entscheiden. Zu diesem Zweck werden die Verfahren an das AG zurückgegeben (vgl. KG, OLGR 2008, 951, 952).

Es ist allgemein anerkannt, dass im Fall eines Zuständigkeitsstreits zwischen einzelnen Richtern desselben Gerichts über die Stattgabe eines Ablehnungsgesuchs durch den abgelehnten Richter (§ 42 Abs. 2 Satz 2 ZPO) das im Rechtszug zunächst höhere Gericht in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO den zuständigen Richter zu bestimmten hat (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 1989, 518; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 36 Rz. 11, 29; Baumbach/Hartmann, 68. Aufl., § 45 Rz. 12, der § 36 Abs. 1 Nr. 1 für anwendbar hält). Der Senat als das für das AG - Familiengericht - zunächst höhere Gericht ist damit zwar zur Bestimmung des zuständigen Richters berufen, muss sich aber im vorliegenden Fall darauf beschränken, dem AG Gelegenheit zu gebe...

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