Leitsatz

Der Beklagte wurde aus übergegangenem Recht auf Zahlung von Unterhalt für seine volljährige Tochter in Anspruch genommen. Die Kindesmutter war am 12.1.2008 verstorben. Der Beklagte war Rentner und bezog lediglich Renteneinkünfte. Zentrales Problem der Entscheidung war die Frage der Höhe des dem Beklagten zustehenden Selbstbehalts.

 

Sachverhalt

Der Kläger nahm den Beklagten aus übergegangenem Recht für die Zeit ab März 2007 auf Unterhalt in Anspruch, und zwar zunächst i.H.v. monatlich 26,00 EUR und seit dem 1.1.2009 i.H.v. 27,69 EUR.

Der am 23.12.1935 geborene Beklagte war der Vater einer am 20.12.1958 geborenen Tochter, die aus seiner im Jahre 1970 geschiedenen Ehe mit seiner am 12.1.2008 verstorbenen Ehefrau hervorgegangen war.

Eine bereits im Jahre 1984 erhobene Unterhaltsklage der Tochter des Beklagten wurde durch Urteil des OLG Köln vom 6.2.1985 wegen nicht ausreichender Erwerbsbemühungen zurückgewiesen.

Der Kläger gewährte der Tochter des Beklagten seit Februar 2007 Eingliederungshilfe in Form des ambulanten betreuten Wohnens gemäß §§ 53 ff. SGB XII. Diese krankheitsbedingten Mehrkosten betrugen mindestens 926,00 EUR monatlich. Mit Schreiben vom 7.3.2007 teilte der Kläger dem Beklagten die Hilfegewährung erstmalig mit und forderte ihn zur Zahlung aus übergegangenem Recht auf.

Der Beklagte war Rentner und bezog bis 30.6.2009 monatliche Renteneinkünfte von insgesamt 1.372,24 EUR und seit dem 1.7.2009 solche i.H.v. 1.408,21 EUR. Die - nach Erlass des vorgenannten Urteils des OLG - nunmehr unstreitig krankheitsbedingt unterhaltsbedürftige Tochter des Beklagten erhielt eine monatliche Rente wegen voller Erwerbsminderung i.H.v. ca. 810,00 EUR. Sie hatte daher einen ungedeckten Bedarf in Höhe der Klageforderung.

Der Beklagte hat beantragt, die gegen ihn gerichtete Klage abzuweisen. Er hat sich u.a. darauf berufen, zu seinen Gunsten sei ein Selbstbehalt wie beim Elternunterhalt anzusetzen.

Das AG hat die Klage abgewiesen.

Hiergegen wehrte sich der Kläger mit der Berufung.

Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.

 

Entscheidung

Das OLG kam zu dem Ergebnis, ein Unterhaltsanspruch der Tochter des Beklagten gemäß §§ 1601 ff. BGB scheitere jedenfalls daran, dass der Beklagte nicht leistungsfähig sei.

Allerdings ergebe sich diese Leistungsfähigkeit nicht schon aus dem konkreten Bedarf des Beklagten. Ziehe man von der von ihm bezogenen Rente seine normalen Lebenshaltungskosten sowie Versicherungsbeiträge und auch die geltend gemachten krankheits- bzw. altersbedingten Mehraufwendungen ab, bleibe am Ende immer noch ein solcher Betrag übrig, dass der Beklagte den vom Kläger verlangten Unterhaltsbetrag zahlen könnte. Auch ergäbe sich bei Ansatz eines angemessenen Selbstbehalts von 1.100,00 EUR gegenüber volljährigen Kindern und dem tatsächlichen Renteneinkommen des Beklagten immer noch eine Differenz von ca. 100,00 EUR, so dass der Beklagte die geltend gemachte Forderung durchaus zahlen könnte.

Allerdings vertrat das OLG mit dem AG die Auffassung, dass in Fällen wie dem vorliegenden, in denen sich der Unterhaltspflichtige seit mehreren Jahren im Rentenalter befinde, ein pauschaler Selbstbehalt von 1.400,00 EUR anzusetzen sei, wie er auch im Rahmen des Elternunterhalts Anwendung finde (ebenso OLG Koblenz FamRZ 2004, 484; OLG Karlsruhe FamRZ 1999, 1532; Kofler in Garbe/Ullrich, Verfahren in Familiensachen, 2. Aufl., § 4 Rz. 591; offen: Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Aufl. 2008 Rz. 48, 975 m.w.N.).

§ 1603 Abs. 1 BGB gewährleiste jedem Unterhaltspflichtigen vorrangig die Sicherung seines eigenen angemessenen Unterhalts. Ihm sollten grundsätzlich die Mittel belassen bleiben, die er zur Deckung des seiner Lebensstellung entsprechenden allgemeinen Bedarfs benötige (vgl. BGH BGHR, BGB § 1603 I - Selbstbehalt 1 und 2 = FamRZ 1989, 272, m.w.N.).

Die Bemessung im konkreten Einzelfall obliege dem Tatrichter, der sich dabei an den in den Tabellen und Leitlinien angeführten Verfahrungswerten orientieren könne. Der angemessene Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen ggü. unterhaltsberechtigten Kindern betrage mindestens 1.400,00 EUR monatlich zzgl. der Hälfte des darüber hinausgehenden Einkommens. Diese Regelung geht zurück auf die Rechtsprechung des BGH zum Elternunterhalt (vgl. BGH FamRZ 1992, 795 = NJW 1992, 1393 ff. und FamRZ 2002, 1698, 1700).

Der BGH habe dazu ausgeführt, dass dem in den Unterhaltstabellen im Übrigen angesetzten Selbstbehalt andere Lebensverhältnisse zugrunde lägen. Zwar müssten Eltern damit rechnen, ihren Kindern auch über das 18. Lebensjahr hinaus bis zum Abschluss einer Berufsausbildung bzw. der wirtschaftlichen Selbständigkeit Unterhalt zu gewähren. Danach gelte das jedoch nicht mehr, weil das Kind eine eigene Lebensstellung erlangt habe und seine Lebensstellung nicht mehr von der des Pflichtigen ableite.

Dies entspreche auch der Rechtsprechung des BGH zum Enkelunterhalt. Auch in diesen Fällen sei die Lebenssituation eine andere als sie den Tabellen und Leitlinien im Übrigen zugr...

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