Rz. 704

Die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft muss auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein und den Bestimmungen der Satzung über die Voraussetzungen der Steuervergünstigungen entsprechen. Es besteht also eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen der tatsächlichen Geschäftsführung und den Satzungszwecken. Verstößt die Geschäftsführung bei ihrer Tätigkeit gegen die materielle Satzungsmäßigkeit, liegt ein Verstoß gegen die Gemeinnützigkeit vor. Decken Satzungsbestimmungen eine an sich durch das Gesetz steuerbegünstigte Tätigkeit der Körperschaft nicht oder nicht mehr, so entfällt die Steuervergünstigung in dem betreffenden Zeitpunkt oder Zeitraum. Sie greift erst wieder ein, wenn entweder die nicht steuerschädliche Tätigkeit zugunsten einer steuerbegünstigten, satzungsmäßigen Tätigkeit aufgegeben oder die Satzung entsprechend angepasst wurde.[1084] So ist z. B. eine Körperschaft, deren Satzungszwecke die Förderung der Alten-, Kranken- und Behindertenhilfe sowie die Betreuung pflegebedürftiger Menschen sind, nicht gemeinnützig, wenn sie darüber hinaus auch einen Kindergarten betreibt, da dieser sich unter keine der in der Satzung genannten Zweckbestimmungen subsumieren lässt.[1085]

 
Hinweis

Satzungsgestaltung in Bezug auf die Zwecke

Bestimmungen über die Voraussetzungen der Steuervergünstigung sollten nicht zu eng gefasst sein,[1086] wobei eine lediglich beispielhafte Aufzählung von Zweckverwirklichungsmaßnahmen unschädlich und sogar geboten ist (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 1 AO). Gleichzeitig sollte der Stifter bei der Gestaltung der Satzung auch nicht nach dem "Gießkannenprinzip" vorgehen und alle entfernt in Betracht kommenden Zwecke aufnehmen. Sowohl Stiftungsbehörde als auch Finanzamt werden nämlich überwachen, dass die satzungsmäßigen Zwecke auch erfüllt werden.

 

Rz. 705

Die Finanzverwaltung sieht es als zulässig an, wenn eine Körperschaft mit mehreren Zwecken nicht alle in jedem Jahr verfolgt und damit einen oder mehrere Zwecke über einen gewissen Zeitraum nicht fördert.[1087] Danach ist eine Satzungsänderung erst nach endgültiger Aufgabe dieses Zwecks erforderlich.[1088]

 

Rz. 706

Steuerbegünstigte Stiftungen werden von ihrem Stiftungsvorstand vertreten. Dessen Handlungen werden der Stiftung über § 31 BGB wie eigene zugerechnet. Dies gilt selbst bei tatsächlichem Überschreiten der Vertretungsmacht, sofern das Organ selbstständig im Rechtsverkehr auftritt.[1089] Satzungsbestimmungen, aufgrund derer sich schon nach der Satzung die Erfüllung der Voraussetzungen der Steuervergünstigung prüfen lassen, bilden die Grundlage für die tatsächliche Geschäftsführung. In Erfüllung dieser Bestimmungen muss die tatsächliche Geschäftsführung auf die Zweckerfüllung gerichtet sein. Sie muss jedoch den verfolgten Zweck nicht notwendigerweise erreichen.[1090] Für die übrigen Voraussetzungen der Steuervergünstigung, wie die Selbstlosigkeit, ist das bloße Bemühen nicht ausreichend.[1091] Hier ist jeder Verstoß steuerschädlich. Schädlich ist auch eine Geschäftsführung, die über die Verwirklichung der Satzungszwecke hinausgeht.[1092]

Die Gemeinnützigkeit einer Körperschaft ist stets ausgeschlossen, wenn die Betätigung der Körperschaft den Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung verlässt oder gegen verfassungsrechtlich garantierte Grundfreiheiten gerichtet ist.[1093] Die Auffassung, wonach eine einem Verein zuzurechnende Lohnsteuerverkürzung als gemeinnützigkeitsschädlicher Verstoß gegen die Rechtsordnung anzusehen ist,[1094] geht allerdings zu weit: Das Strafrecht bietet ausreichend Reaktionsmöglichkeiten auf derartige Verstöße.[1095]

[1084] Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit, S. 268.
[1085] FG Saarland, Beschluss v. 4.8.2003, 1 V 145/03; dazu Walz, in Strachwitz/Mercker (Hrsg.), Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis 2005, S. 433, 450 ff.
[1086] Pöllath/Richter, in Seifart/v. Camphausen (Hrsg.), Stiftungsrechts-Handbuch, § 43, Rn. 87.
[1087] FinMin. Bayern, Erlass v. 25.6.1997, DB 1997, I 33 – S0 177 – 19/11 – 329 48 S. 1746.
[1088] FinMin. Bayern, a. a. O.
[1089] Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit, S. 268 f.
[1090] Pöllath/Richter, in Seifart/v. Camphausen (Hrsg.), Stiftungsrechts-Handbuch, § 43, Rn. 92.
[1091] Pöllath/Richter, in Seifart/v. Camphausen (Hrsg.), a. a. O.
[1092] Pöllath/Richter, in Seifart/v. Camphausen (Hrsg.), a. a. O.
[1093] BFH, Beschluss v. 16.10.1991, I B 16/91, BFH/NV 1992, S. 505, 506; Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit, S. 89.
[1095] Jachmann, ZSt 2003, S. 35, 43.

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