Leitsatz (amtlich)

›1. Begeht ein Polizeibeamter eine Körperverletzung im Amt an einer in Polizeigewahrsam befindlichen Person, ist die Entfernung aus dem Dienst die typischerweise in Betracht kommende Disziplinarmaßnahme, es sei denn dem Übergriff ging eine schwere Provokation oder ein Angriff voraus (Fortschreibung der Rechtsprechung des Senats im Urteil vom 10.11.2006 - DL 16 S 22/06 - juris).

2. Der Milderungsgrund des einmaligen, persönlichkeitsfremden Augenblicksversagens kommt nicht in Betracht, wenn das Versagen des Beamten aus verschiedenen Teilakten (hier: Körperverletzung; Abfassen eines unrichtigen Vorkommnisberichts; bewusstes Erschweren der Ermittlungen über Jahre hinweg) besteht.‹

 

Gründe

I.

1. Der am XXXXXXXXX in XXXXXX geborene Beamte wurde nach Erlangung der mittleren Reife zum 01.09.1976 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf bei der Bereitschaftspolizei des Landes Baden-Württemberg eingestellt. Am 01.09.1977 wurde ihm die Eigenschaft eines Beamten auf Probe verliehen. Mit Wirkung vom 01.03.1979 wurde er zum Polizeioberwachtmeister ernannt und anschließend im Streifendienst beim Polizeirevier XXXXXXXXXX eingesetzt. Am 07.03.1980 wurde er zum Polizeihauptwachtmeister und am 16.06.1981 zum Polizeimeister ernannt. Am 29.08.1985 erfolgte seine Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit. Am 11.09.1985 wurde er zum Polizeiobermeister und - nach seiner Verwendung als Streifenführer beim Polizeirevier XXXXXXXXXXX - am 18.08.1995 zum Polizeihauptmeister ernannt. Ab dem 01.10.1997 wurde der Beamte mit der Wahrnehmung der Aufgaben eines stellvertretenden Dienstgruppenführers beauftragt. Mit Wirkung vom 01.01.1999 wurde ihm das Amt eines Polizeihauptmeisters der Besoldungsgruppe A 9 mit Amtszulage übertragen. Nach erfolgreicher Absolvierung des XX. Ausbildungslehrgangs für lebensältere Beamte zum Aufstieg in den gehobenen Polizeivollzugsdienst wurde der Beamte mit Wirkung vom 01.05.1999 zum Polizeikommissar ernannt. Am 20.12.2000 erfolgte die Ernennung zum Polizeioberkommissar (Bes.-Gr. A 10). Zum 14.02.2002 wurde er aus dienstlichen Gründen zum Polizeirevier XXXXX umgesetzt und dort den Dienstgruppen als Sachbearbeiter zugewiesen. Zuletzt wurde der Beamte zum Stichtag 01.05.2004 mit einem Gesamtergebnis von 3,50 Punkten ("übertrifft die Anforderungen") beurteilt.

Der Beamte ist ledig. Nach der mit Verfügung der Polizeidirektion XXXXXXXX vom 26.10.2003 angeordneten Einbehaltung von 50 % der Besoldungsbezüge (monatliche 2.802,68 EUR brutto) verdient er derzeit ca. 1.344,43 EUR. Er hat Schulden in Höhe von ca. 80.000,-- EUR, die er in monatlichen Raten in Höhe von 500,-- EUR abzahlt.

Der Beamte ist bislang weder disziplinarisch noch strafrechtlich in Erscheinung getreten.

2. Mit Verfügung der Polizeidirektion XXXXXXXX vom 11.03.2003 wurden gegen den Beamten disziplinarische Vorermittlungen gemäß § 27 LDO wegen des Verdachts eines Dienstvergehens angeordnet. Unter Hinweis auf ein wegen Körperverletzung im Amt durchgeführtes staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft XXXXXXX - XXXXXXXXXXXX - (Körperverletzung des XXXXXXXXXX durch Polizeibeamte während seines Aufenthalts auf dem Polizeirevier XXXXXXXXXX am 15.06.2001) wurde dem Beamten angelastet, seine Pflichten als diensthabender Dienstgruppenleiter des Polizeireviers XXXXXXXXX am Tattag verletzt zu haben. Darüber hinaus wurde ihm vorgeworfen, durch eine nicht den Tatsachen entsprechende Abfassung des Vorkommnisberichts in der Tatnacht der Verschleierung des wahren Sachverhalts zumindest Vorschub geleistet zu haben. Mit Verfügung vom 02.09.2003 erweiterte die Polizeidirektion XXXXXXX die Vorermittlungen gegen den Beamten konkret um den Verdacht der Körperverletzung im Amt zum Nachteil des XXXXXXXXXXXXX. Zugleich leitete sie gegen ihn das förmliche Disziplinarverfahren mit dem Ziel der Entfernung aus dem Dienst ein und enthob ihn gemäß § 89 LDO vorläufig des Dienstes. Das förmliche Disziplinarverfahren wurde im Hinblick auf das in gleicher Sache wieder aufgenommene strafrechtliche Ermittlungsverfahren (Staatsanwaltschaft XXXXXXXX - XXXXXXXXXXXXXX -) gemäß § 18 Abs. 2 LDO ausgesetzt. Mit Verfügung der Polizeidirektion XXXXXXXXXX vom 26.10.2003 wurde gemäß § 90 LDO die Einbehaltung von 50 % der Besoldungsbezüge angeordnet.

Mit Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - XXXXXXXXXX vom 25.08.2004 - XXXXXXXXXXXXXX - wurde der Beamte wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt und wegen Körperverletzung im Amt tatmehrheitlich in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten verurteilt. Auf die Berufung des Beamten wurde dieses Urteil aufgehoben. Mit Urteil vom 05.10.2005 - XXXXXXXXXXXXXXXX - verurteilte ihn das Landgericht XXXXXXXXXX wegen Körperverletzung im Amt zu der Freiheitsstrafe von 11 Monaten; die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Im Übrigen wurde der Beamte freigesprochen und seine weitergehende Berufung verworfen. Das seit 13.10.2005 rechtskräftige Strafurteil enthält in tatsächlic...

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