Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtigkeit unerlaubter Verträge über Einlagengeschäfte

 

Orientierungssatz

1. Die Kammer hält an ihrer Auffassung fest, dass Verträge über Einlagengeschäfte im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG, für die keine Erlaubnis nach § 32 KWG erteilt worden ist, nach § 134 BGB für beide Vertragsparteien nichtig sind (entgegen HessVGH, U. v. 20.05.2009 – 6 A 1040/08).

2. Jedenfalls stellt der Umstand, dass das Betreiben unerlaubter Einlagengeschäfte einen Straftatbestand erfüllt (§ 54 KWG) und das Einlagengeschäft solange betrieben wird bis es durch vollständige Rückzahlung der Einlage abgewickelt ist, einen wichtigen Grund dar, aus dem der Vertrag vom Betreiber nach § 314 BGB gekündigt werden kann. Deshalb ist es ihm auch dann nicht unmöglich, einer Verfügung der BaFin zur sofortigen Abwicklung unerlaubter Einlagengeschäfte durch Rückzahlung nachzukommen, wenn der Anleger an dem Vertrag festhalten will und sich einer einvernehmlichen Aufhebung verweigert.

 

Normenkette

KredWG § 32; BGB § 134; KredWG § 54; BGB § 314

 

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 67.500 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I

Rz. 1

 Die Antragstellerin wehrt sich mit dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin vom 26.01.2010. Gegenstand der Untersagung ist folgendes Geschäftsmodell, das die Antragstellerin über das Internet angeboten hat und nach der erstrebten Aufhebung der Verfügung fortsetzen will:

Rz. 2

 Nach den Werbeaussagen erwirbt die Antragstellerin von ihren Kunden die Ansprüche aus deren laufenden Lebensversicherungen, Bausparverträgen, Investmentdepots und anderen Vermögensanlagen zum garantiert doppelten Rückkaufwert bzw. Guthaben, wobei die Auszahlung abzüglich von 1,19 % (vom aktuellen Guthaben) Treuhandkosten entweder erst komplett nach zehn Jahren erfolgt (Variante 1) oder je nach gewählter Vertragsvariante eine Sofortauszahlung von zwischen 10 % und 50 % des aktuell verfügbaren Vertragsguthabens vorgenommen und der doppelte Betrag des Restguthabens abzüglich der Treuhandkosten nach zehn Jahren ausgezahlt wird (Variante 2). Der garantierte Auszahlungsbetrag soll aus der Vermietung und dem Betrieb von Anlagen zur alternativen Energiegewinnung erwirtschaftet werden.

Rz. 3

 Lässt sich der Kunde auf das Angebot ein, werden zwei formularmäßige Verträge zwischen ihm und Rechtsanwalt B… geschlossen, und zwar ein Abtretungsvertrag und ein Geschäftsbesorgungsvertrag. Mit dem Abtretungsvertrag tritt der Kunde dem Treuhänder sämtliche Ansprüche aus der betreffenden Vermögensanlage ab, wobei die Abtretung nach dem Vertragstext nur zu dem Zwecke der Kündigung des Vertrages sowie der Einziehung des Vertragsguthabens erfolgt. In dem Geschäftsbesorgungsvertrag wird der Treuhänder vom Kunden ermächtigt, den Anlagevertrag zu kündigen. Ferner wird geregelt, dass der Kunde sämtliche Ansprüche aus dem Anlagevertrag an den Treuhänder abtritt. Nach § 5 des Vertrages wird der Treuhänder vom Kunden “berechtigt”, den Vertrag zu kündigen und die Abwicklung vorzunehmen, das Guthaben entgegenzunehmen und “entsprechend den weiteren Bestimmungen” zu verwenden. Weiter ist geregelt, dass die Abwicklung des Anlagevertrages im Innenverhältnis auf Rechnung des Kunden (treuhänderisch) erfolgt. Der Kunde beauftragt den Treuhänder weiterhin, in Höhe der aus der Abwicklung der Vermögensanlage eingegangenen Gelder im Namen und für Rechnung des Kunden einen Kaufvertrag mit der Antragstellerin zu schließen und dabei hinsichtlich der Zahlung des Kaufpreises die gewählte Variante zu vereinbaren. Der Treuhänder hat nach Abschluss des Kaufvertrages das Abwicklungsguthaben, sofern der Kaufpreis sofort fällig wird, an den Kunden und im Übrigen an die Antragstellerin zu überweisen. Dem Geschäftsbesorgungsvertrag ist als Anlage das Formular des Kaufvertrages mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen beigefügt.

Rz. 4

 Mit Schreiben vom 11.11.2009 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin dazu auf, die beschriebenen Geschäfte freiwillig einstellen und abwickeln sowie im Einzelnen benannte Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen. Es handele sich nämlich um erlaubnispflichtige Einlagengeschäfte im Sinne des Kreditwesengesetzes (KWG), für die die Antragstellerin keine Erlaubnis besitze.

Rz. 5

 Die Antragstellerin erwiderte darauf, dass es sich nicht um Einlagengeschäfte handele, sondern um den Ankauf von Versicherungspolicen. Sie teilte mit, dass insgesamt vier solcher Geschäfte geschlossen worden seien und dass sie bis zur Klärung der Angelegenheit keine weiteren Geschäfte abschließen werde. Die geforderten Auskünfte und Unterlagen legte sie nicht vor.

Rz. 6

 Mit Verfügung vom 26.01.2010 ordnete die Antragsgegnerin darauf gegenüber der Antragstellerin die sofortige Einstellung des Betreibens dieses Geschäftsmodells an und untersagte die Werbung dafür (Tenor Nr. 1a). Sie gab der Antragstellerin auf, die Geschäfte unverzügl...

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