Entscheidungsstichwort (Thema)

Untersagung des Betriebs einer Mobilfunkanlage. Anordnung des Sofortvollzugs. Ersatzvornahme

 

Leitsatz (amtlich)

1. Mobilfunkanlagen bis zu einer Höhe von 10 m sind nach § 61 Abs. 1 Nr. 4 d) LBO verfahrensfrei.

2. Soll eine Mobilfunkanlage in einem allgemeinen Wohngebiet errichtet werden, das vor Inkrafttreten der Änderung der Baunutzungsverordnung vom 23.01.1990 durch Bebauungsplan festgesetzt worden ist, so bedarf sie einer Ausnahme nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1962/1968/1977. Bei der Prüfung, ob eine Mobilfunkanlage störend i.S. des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1962/1968/1977 ist, darf nicht auf die von ihr ausgehende Strahlenbelastung abgestellt werden, wenn die Anlage die durch die Verordnung über elektromagnetische Felder – 26. BImSchV – festgelegten Grenzwerte einhält.

3. In faktischen allgemeinen Wohngebieten sind Mobilfunkanlagen als gewerbliche Nutzung nicht nach § 4 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässig, sondern bedürfen zu ihrer Zulassung einer Ausnahme nach § 34 Abs. 2 i.V.m. § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 1 BauNVO. Wenn eine Mobilfunkanlage am vorgesehenen Standort die Grenzwerte der 26. BImSchV einhält, kann ihre Unzumutbarkeit gegenüber Nachbarn nicht daraus hergeleitet werden, dass die Anlage bei einer anderen Anordnung geringere Strahlenbelastung für die Nachbarschaft hervorrufen würde.

Eine Nutzungsuntersagung gegen eine ohne die vorherige Erteilung einer Ausnahme betriebene Mobilfunkanlage kann nicht darauf gestützt werden, dass die Anlage bei einer Optimierung geringere Strahlenbelastungen für die Umgebung verursachen würde, wenn sie auch am bestehenden Standort die Grenzwerte der 26. BImSchV einhält.

 

Normenkette

LBO § 61 Abs. 1 Nr. 4d); BauNVO 1962/1968/1977 § 4 Abs. 3 Nr. 2; BauNVO § 4 Abs. 2, § 14 Abs. 2 S. 1; BauGB § 34 Abs. 2, § 31 Abs. 1

 

Nachgehend

OVG des Saarlandes (Beschluss vom 17.10.2006; Aktenzeichen 2 W 19/06)

 

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 18.04.2006 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 07.04.2006 einschließlich der darin angedrohten Ersatzvornahme wird wiederhergestellt bzw. angeordnet.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 2.500,– Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine baurechtliche Verfügung der Antragsgegnerin, mit der ihr unter Anordnung des Sofortvollzugs der Betrieb der Mobilfunkanlage in der D. 1 in Völklingen ab dem 8. Mai 2006, 12.00 Uhr untersagt und für den Fall der nicht fristgerechten Befolgung die Ersatzvornahme angedroht wurde.

Hinsichtlich der Zulässigkeit des Antrages bestehen keine Bedenken. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 18.04.2006 gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 07.04.2006 enthaltene Nutzungsuntersagung ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO statthaft, da insoweit gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO der Sofortvollzug angeordnet wurde.

Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.

Die vom Gericht zu treffende Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO richtet sich danach, ob ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Verfügung schriftlich hinreichend begründet wurde (§ 80 Abs. 3 VwGO) und ob es gegenüber dem Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs schwerer wiegt (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Im Rahmen der Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Widerspruchs zu berücksichtigen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf nach dem derzeitigen Erkenntnisstand offensichtlich aussichtslos ist; umgekehrt überwiegt bei einer offensichtlichen Erfolgsaussicht des Widerspruchs das Aussetzungsinteresse des Antragstellers (vgl. Kopp, VwGO, 14. Aufl., § 80 Rz. 158).

Der von der Antragsgegnerin im Bescheid vom 07.04.2006 angeordnete Sofortvollzug genügt den in § 80 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Nr. 4 VwGO geregelten formalen Anforderungen. In dem angefochtenen Bescheid ist in ausreichendem Maße begründet, warum ein besonderes öffentliches Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Anordnung besteht. Die Antragsgegnerin hat das aus ihrer Sicht bestehende besondere öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Verfügung ausreichend dargelegt, in dem sie auf das Interesse der durch den Mobilfunkanlage betroffenen Nachbarn verwiesen hat sowie darauf, dass ohne Sofortvollzug die Antragstellerin während der Zeit eines Rechtsschutzverfahrens die Anlage weiterbetreiben könnte.

Unter Berücksichtigung der eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist aber davon auszugehen, dass der Widerspruch der Antragstellerin vom 18.04.2006 gegen die Nutzungsuntersagung Aussicht auf Erfolg hat. Die Kammer hält den angegriffenen Bescheid der Antragsgegnerin vom 07.04.2006 für offensichtlich rechtswidrig.

Nach der ständigen Rechtsprechung der saarländischen Verwaltungsgerichte (gru...

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