Entscheidungsstichwort (Thema)

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Ungeeignetheit

 

Leitsatz (amtlich)

Im Entziehungsverfahren nach § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 StVG kann der Betroffene nicht mit dem Einwand gehört werden, dass er den Verkehrsverstoß, der nach der beigezogenen Bußgeldakte rechtskräftig festgestellt ist, nicht selbst begangen habe.

 

Normenkette

ZPO § 144; VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5, § 166; StVG § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, Abs. 7 S. 2; OWiG § 69 Abs. 1 S. 1, § 85

 

Tenor

Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt.

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert wird auf 2.500,– EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 27.10.2009, durch den ihr die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr wegen Erreichens von 18 Punkten im Verkehrszentralregister gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG mit sofortiger Wirkung (§ 4 Abs. 7 Satz 2 StVG) entzogen worden ist. Ihr sinngemäßer Antrag, die aufschiebende Wirkung des gegen die Verfügung eingelegten Widerspruchs anzuordnen, ist gemäß § 80 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 VwGO und § 4 Abs. 7 Satz 2 StVG statthaft und auch im Übrigen zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Zunächst ist die Antragsgegnerin zutreffend unter Hinweis auf die §§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Abs. 7 Satz 2 StVG vom Entfallen der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Anordnung im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ausgegangen. Mit dem gesetzlichen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung hat der Gesetzgeber verdeutlicht, dass das private Interesse der Antragstellerin, bis zur Klärung der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein Fahrzeug führen zu dürfen, grundsätzlich hinter dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung zurückstehen muss, weil er sonst die Sicherheit des Straßenverkehrs im Allgemeinen sowie den Schutz hochrangiger Rechtsgüter, wie Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer, nicht als gewährleistet angesehen hat.

Die vorliegend vom Gericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffende Entscheidung richtet sich danach, ob das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Verfügung gegenüber dem Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des von ihr ergriffenen Rechtsbehelfs schwerer wiegt. Im Rahmen der hiernach vorzunehmenden Interessenabwägung sind vorrangig die Erfolgsaussichten der Hauptsache zu berücksichtigen. Dabei gebührt dem öffentlichen Interesse entsprechend der dargelegten gesetzlichen Vorgabe für den Regelfall dann der Vorrang, wenn der Rechtsbehelf nach dem derzeitigen Erkenntnisstand und nach Maßgabe des Prüfungsumfangs im vorläufigen Rechtsschutzverfahren aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Umgekehrt überwiegt bei einer offensichtlichen Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Erweisen sich die Erfolgsaussichten der Hauptsache als offen, erfordert die Entscheidung eine vom Vorstehenden unabhängige Abwägung des öffentlichen Interesses am Sofortvollzug mit dem privaten Interesse des Fahrerlaubnisinhabers, bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiterhin als Kraftfahrzeugführer am Verkehr teilnehmen zu können.

Hiervon ausgehend kann die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht beanspruchen, denn die angefochtene Verfügung des Antragsgegners erweist sich bei summarischer Prüfung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes als rechtmäßig, so dass der Widerspruch der Antragstellerin aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird.

Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG hat die Straßenverkehrsbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich 18 oder mehr Punkte ergeben, da der Betroffene dann als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gilt. Das Erreichen dieser Punktzahl bewirkt auf der Grundlage des Punktesystems die grundsätzlich nicht widerlegliche gesetzliche Ungeeignetheitsvermutung. Dabei kommt es im Rahmen der von dem Antragsgegner vorzunehmenden Bewertung auf das Tattags-Prinzip an, ohne dass von Bedeutung ist, ab wann die Rechtskraft der Ahndung der Verkehrsverstöße – grundsätzlich können nur rechtskräftig geahndete Verkehrsverstöße im Verkehrszentralregister erfasst und der Punktebewertung zugrunde gelegt werden – eingetreten ist. Das bedeutet, dass die Behörde nicht nur den Punktestand zu berücksichtigen hat, wie er sich nach den rechtskräftigen Sanktionen ergibt, sondern zusätzlich prüfen muss, wie sich eine begangene, aber noch nicht rechtskräftig geahndete Tat auf den Punktestand auswirkt.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 25.09.2008, 3 C 3.07, zfs 2009, 113 ff., und 3 C 21.07, zfs 2009, 118 ff.; Beschlüsse der Kammer vom 03.04.2008, 10 L 296/08, 14.06.2007, 10 L 630/07, und 07.01.2008, 10 L 2019/09, vgl. zur Problematik auch: Zwerger, Problemfelder zum Punktesystem aus Sicht der Verwaltungsgerichtsbarkeit, zfs, 2009, 128

Darüber hinaus ist in § 4 Abs. ...

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