Leitsatz

Gebraucht der Rechtsvorgänger eines Wohnungseigentümers den ihm zugewiesenen Stellplatz über 27 Jahre nicht, sondern duldet er einen "Drittgebrauch", ist sein Unterlassungsanspruch gegen Drittgebrauch verwirkt. Die Verwirkung muss sich der Sondernachfolger entgegenhalten lassen.

 

Normenkette

§§ 242, 1004 BGB

 

Das Problem

  1. Nach der Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentumsanlage W stehen Einstellplätze im gemeinschaftlichen Eigentum, "eingeschränkt durch das ausschließliche Gebrauchsrecht des Miteigentümers, dem es zugeteilt ist". Nach der Gemeinschaftsordnung wird "die Zuteilung der Einstellplätze" durch den Verwalter geregelt. Der Rechtsnachfolger "tritt in die bisherigen Rechte des Verkäufers eines Wohnungseigentums hinsichtlich des Einstellplatzes ein".
  2. K ist Eigentümer der Wohnung Nr. 11, B ist Eigentümer der Wohnung Nr. 5. B gebraucht den Einstellplatz Nr. 7 in der Tiefgarage. K ist der Auffassung, dass ihm das Gebrauchsrecht daran zusteht. Damit habe es folgende Bewandtnis. Der Bauträger habe die Wohnung Nr. 11 im Jahr 1982 an R verkauft. Diesem sei durch den Verwalter der Einstellplatz Nr. 7 zugewiesen worden. R habe die Wohnung Nr. 11 nebst Einstellplatz Nr. 7 im Jahr 2008 an P verkauft. Diese habe das Eigentum an ihn – K – übertragen. B hält dem entgegen, bereits vor der Veräußerung der Wohnung Nr. 11 an R hätten seine Rechtsvorgänger, die Eheleute M, 1981 mit dem Bauträger einen Tausch der Einstellplätze vorgenommen, und zwar in der Weise, dass der Einstellplatz Nr. 7 zu der Wohnung Nr. 5 gekommen sei und der Einstellplatz Nr. 2 zu der Wohnung Nr. 11. Als er – B – 2005 die Wohnung Nr. 5 gekauft habe, sei ihm der Einstellplatz Nr. 7 mit Zustimmung des Verwalters zugewiesen worden. Der Einstellplatz Nr. 7 habe seit dem Tausch aus dem Jahr 1981 stets zur Wohnung Nr. 5 gehört.
 

Entscheidung

  1. K hat keinen Unterlassungsanspruch gegen B gemäß § 1004 BGB! K habe das Gebrauchsrecht an dem Stellplatz Nr. 7 nicht erworben. Das Gebrauchsrecht hätte der Rechtsvorgänger, R, bereits verwirkt.
  2. R habe die Wohnung Nr. 11 mit dem zugewiesenen Stellplatz Nr. 7 im Jahr 1981 erworben. Bis zum Verkauf der Wohnung im Jahr 2008, mithin über einen Zeitraum von 27 Jahren, habe R diesen Stellplatz jedoch nicht gebraucht und habe den Stellplatz Nr. 7 nie beansprucht, obwohl er wusste, dass er ihm vertraglich zugewiesen war. Indem R während all der Jahre den Stellplatz Nr. 2 gebraucht hat, habe er "gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft" und der "Verwaltung" konkludent zu erkennen gegeben, keinen Anspruch auf den Stellplatz Nr. 7 erheben zu wollen.
  3. B's Rechtsvorgänger hätten sich damit schutzwürdig darauf einrichten können, den Stellplatz Nr. 7 berechtigt zu gebrauchen. Dies gelte auch für B selbst, der seine Wohnung mit der Zuweisung des Stellplatzes Nr. 7 im Jahr 2005 erwarb – also zu einem Zeitpunkt, als R noch den Stellplatz Nr. 2 genutzt habe.
 

Kommentar

Anmerkung:

  1. Nach § 3 Abs. 2 WEG gelten Garagenstellplätze als abgeschlossene Räume, wenn ihre Flächen durch dauerhafte Markierungen ersichtlich sind. An ihnen kann daher Teileigentum begründet werden. An allen anderen Flächen, die als Stellplatz gebraucht werden sollen, kann kein Teileigentum begründet werden. Möglich ist es indessen, diese Flächen durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu vermieten oder sie Wohnungseigentümern leihweise zur Verfügung zu stellen. Ferner kann an den Flächen ein oder können mehrere Sondernutzungsrechte begründet oder es kann mit den Flächen gar nichts gemacht werden. Dann kann sie jeder Wohnungseigentümer im Rahmen seines Mitgebrauchsrechts mitgebrauchen.
  2. Nach der hier interessierenden Gemeinschaftsordnung sollten die Stellplatzflächen weder vermietet noch verliehen werden, noch sollte jeder Wohnungseigentümer an ihnen ein Mitgebrauchsrecht haben. Vielmehr sollten die Stellplatzflächen zwar im gemeinschaftlichen Eigentum stehen, bestimmte Wohnungseigentümer, nämlich solche, denen der Verwalter ein Gebrauchsrecht daran "zugeteilt" hat, sollten daran ein Alleingebrauchsrecht haben. Dieses Recht sollte auch ihren Sondernachfolgern zustehen. Der Notar kann damit eigentlich nur (schuldrechtliche) Sondernutzungsrechte im Auge gehabt haben. Sondernutzungsrechte werden zwar in der Regel durch den Bauträger zugewiesen. Und dies geht auch nur, solange dieser noch Miteigentümer ist. Vorstellbar ist indessen auch – so meine ich jedenfalls –, im Wege der Vereinbarung den Verwalter zu bestimmen, die "Zuweisung" vorzunehmen.
  3. Der 1. Verwalter hatte von seinem Zuweisungsrecht Gebrauch gemacht. Was hieß das nun aber für den Fall? Die gegebenenfalls überraschende Antwort lautet: Überhaupt nichts! Die Sondernutzungsrechte wurden nämlich jeweils nicht zum Inhalt des Sondereigentums gemacht und waren daher alle mit der 1. Veräußerung an einen Sondernachfolger bereits wieder untergegangen (= entfallen). Seitdem konnten wieder alle Wohnungseigentümer die Flächen nach dem "Rammelprinzip" gebrauchen – "wer zuerst kommt …" – da sich kein Wohnungseigentüm...

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