Leitsatz

Geschiedene Eltern mit französischer Staatsangehörigkeit stritten sich um das Umgangsrecht des Vaters mit dem gemeinsamen Kind. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens hatten sie vor einem französischen FamG Umgangszeiten vereinbart. Der Umgang fand mit dem Vater in Paris in den Ferien statt, die Mutter lebte seit längerem in Berlin.

Wegen bei der Ausübung des Umgangsrechts aufgetretener Probleme beantragte die Mutter bei dem FamG in Berlin die Aussetzung des Umgangs. Der Vater und das FamG in Paris haben nach Art. 15 EGVO 2201/2003 die "Verweisung" an das Pariser FamG beantragt.

Diesem Antrag wurde insoweit stattgegeben, als das Berliner FamG mit Beschluss vom 3.5.2006 das Verfahren über den Antrag auf Aussetzung des Umgangsrechts dem Pariser FamG übertrug. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Gegebenheiten beim Vater in Paris und die streitigen Vorfälle und Behördenvorgänge dort besser durch das französische Gericht beurteilt werden könnten. Im Falle erforderlicher Gutachten könne auf die Hilfe in Berlin ansässiger Gutachter zurückgegriffen werden.

Hiergegen wandte sich die Mutter mit der Beschwerde, die erfolgreich war.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das KG vertrat die Auffassung, die Voraussetzungen für ein Ersuchen an das französische Gericht hätten nicht vorgelegen. Schon der von Art. 1 Abs. 1 EGVO 2201/2003 neben dem Wohl des Kindes geforderte Ausnahmefall sei zu verneinen. Allein der Umstand, dass der umgangsberechtigte Vater in Frankreich lebe und das Kind in Deutschland, rechtfertige nicht die Annahme eines Ausnahmefalls. Diese Voraussetzungen seien bereits bei der Frage der besonderen Bindung zu einem Mitgliedsstaat zu prüfen. Infolgedessen könnten auch die regelmäßig damit zusammenhängenden Sprach-, Ermittlungs- und Entfernungsprobleme nicht allein einen Ausnahmefall nach Art. 15 Abs. 1 EGVO 2201/2003 begründen.

Ausnahmefällen kämen nur dann in Betracht, wenn von vornherein feststehe, dass ein eng begrenzter Sachverhalt weitgehend ausschließlich im Bereich der Zuständigkeit des auswärtigen Gerichts zu klären sei. Dies sei hier nicht der Fall. Auf die sprachliche Nähe könne es - neben den oben erwähnten Gründen - nicht maßgeblich ankommen.

Letztendlich gehe es nicht so sehr um die Frage, was in den französischen Behördenakten stehe und was Dritte in Frankreich erklärt hätten, sondern um die Erklärungen des Vaters. Zudem erscheine es wenig wahrscheinlich, dass es im Verfahren nur um einen Umgangsausschluss oder einen in Frankreich durchzuführenden Umgang gehen werde. Vielmehr komme auch in Betracht, den Umgang in den Ferien in Deutschland stattfinden zu lassen. Ferner sei zu klären, wie und wo die Wiederaufnahme des Umgangs zu gestalten sei, weil der Eindruck bestehe, dass die Mutter den Umgang nicht unbedingt unterstütze. Angesichts dieser Unwägbarkeiten sei nicht ersichtlich, dass ausnahmsweise die Zuständigkeit des französischen FamG sachgerecht wäre.

 

Link zur Entscheidung

KG Berlin, Beschluss vom 10.07.2006, 16 UF 90/06

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