1 Leitsatz

Wenn von einer zwar vom Gericht erlassenen, aber nicht rechtskräftigen einstweiligen Verfügung über die Bestellung eines Verwalters lange Zeit kein Gebrauch gemacht wird, kann dies zum Wegfall des Verfügungsgrundes führen. Die Bestellung eines Verwalters durch eine Regelungsverfügung ist im Regelfall auf maximal ein Jahr zu befristen.

2 Normenkette

§ 26 WEG; §§ 935, 940 ZPO

3 Das Problem

Das AG erlässt auf Antrag von Wohnungseigentümer K eine einstweilige Verfügung. Es bestellt am 21.12.2022 für 3 Jahre einen X ab Verkündung seiner Entscheidung zum Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage. Die Entscheidung wird angegriffen.

4 Die Entscheidung

Mit Erfolg! Es gebe mittlerweile keinen Verfügungsgrund mehr. Ein Verfügungsgrund liege nämlich nur dann vor, wenn aus der Sicht eines vernünftig Denkenden zu besorgen sei, dass eine Veränderung des Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert oder die Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig sei. Infolge einer Selbstwiderlegung könne ein Verfügungsgrund fehlen oder entfallen, wenn der Antragsteller die Annahme der Dringlichkeit durch sein eigenes Verhalten ausgeschlossen habe. Dies könne auch der Fall sein, wenn ein Antragsteller von einer erlassenen einstweiligen Verfügung lange Zeit keinen Gebrauch mache, beispielsweise, um das Risiko der Schadensersatzpflicht aus § 945 ZPO zu vermeiden. So liege es im Fall. Der Umstand, dass X bislang von K nicht informiert bzw. zur Tätigkeit aufgefordert worden sei, führe zur Selbstwiderlegung der Dringlichkeit. Die Darstellungen des K zum dringenden Bedarf für den ursprünglichen Erlass der einstweiligen Verfügung passten nicht damit zusammen, dass er im Anschluss von der einstweiligen Verfügung über viele Monate hinweg keinerlei Gebrauch gemacht habe. Der Verfügungsanspruch, auf den es nicht mehr ankomme, sei im Übrigen allenfalls teilweise gegeben gewesen. Die vom AG angeordnete Bestellungszeit dürfte selbst für eine Hauptsacheentscheidung zu lange sein. Selbst für Beschlussersetzungsklagen in der Hauptsache würden maximale Bestellungszeiten von nur 1 oder 2 Jahren angenommen. Für einstweilige Verfügungen kämen nur kürzere Bestellungszeiten in Betracht. Denn eine Regelungsverfügung dürfe die Hauptsache nicht vorwegnehmen. Sie sei daher längstens bis zur Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens und auf eine gewisse Zeit zu befristen. Soweit die Kammer es in einer früheren Entscheidung für möglich gehalten habe, im Wege der einstweiligen Verfügung einen Verwalter auf die Dauer von 2 Jahren – vorbehaltlich einer Neuwahl eines Verwalters durch die Wohnungseigentümer – zu bestellen, könne daran nicht festgehalten werden. Die juristisch gut darstellbare 1-Jahres-Frist sei aber bereits im Herbst 2023 erreicht worden.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall hat es ein Wohnungseigentümer im Wege der einstweiligen Verfügung erreicht, dass das AG im Wege der Beschlussersetzung einen X zum Verwalter bestellt hat. Gegen diese Entscheidung geht jemand vor. Wer die Parteien dieses Rechtsstreits sind, ist nicht ganz deutlich, soll hier aber nicht näher betrachtet werden.

Verwalterbestellung im Wege der Beschlussersetzungsklage

Bestellen die Wohnungseigentümer keinen Verwalter, kann ein Wohnungseigentümer im Wege der Beschlussersetzungsklage beim AG die Bestellung erreichen. Ist es, wie in aller Regel, dringlich, ist es möglich, diesen Antrag im Wege einer einstweiligen Verfügung zu stellen. Hierfür bedarf es eines Verfügungsanspruchs und eines Verfügungsgrunds. Der Verfügungsanspruch ist unproblematisch, da es grundsätzlich ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, dass es in einer Wohnungseigentumsanlage einen Verwalter als Hauptorgan der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gibt. Wird jemand allerdings zum Verwalter bestellt, ist das nicht gegen seinen Willen möglich. Der X hätte daher vom Gericht gefragt werden müssen, ob er überhaupt bereit ist, die entsprechende Wohnungseigentumsanlage zu verwalten. Dies scheint das AG übersehen zu haben. Tatsächlich ist daher von Anfang an kein Verwalter bestellt worden. Insoweit kann man fragen, ob der klagende Wohnungseigentümer weiterhin einen Verfügungsgrund hat, dass ein Verwalter erstmals bestellt wird. Ich selbst würde – anders als es das LG getan hat – einen Verfügungsgrund bejahen, da in jeder Wohnungseigentumsanlage grundsätzlich ein Verwalter zu bestellen ist. Nur in Kleinstanlagen mag es anders sein. Ob es im Fall so ist, lässt sich anhand der Feststellungen leider nicht klären.

Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?

Ist eine Verwaltung bereit, sich im Wege der einstweiligen Verfügung durch ein Gericht zum Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage bestellen zu lassen, wird sie häufig auch daran interessiert sein, mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Verwaltervertrag zu schließen. Nach herrschender Meinung soll das Gericht befugt sein, auch insoweit im Wege der Beschlussersetzungsklage den entsprechenden Beschluss der Wohnungseigentümer zu ersetzen. Ich selbst halte es hingegen für richtiger, dass die Verwal...

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