1 Leitsatz

Ein mit dem Gegenstand des Rechtsstreits zusammenhängender Grund i S. v. § 50 WEG a. F., der eine Vertretung der beklagten Wohnungseigentümer durch mehrere Rechtsanwälte rechtfertigt, liegt nicht deshalb vor, weil ein einzelner Wohnungseigentümer über die Mehrheit der Stimmen verfügt und den angefochtenen Beschluss gegen die Stimmen aller übrigen Wohnungseigentümer herbeigeführt hat.

2 Normenkette

§ 50 WEG a. F.

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K will auf seiner Sondernutzungsfläche im Garten einen Brunnen anlegen. Sein auf Zustimmung zu dieser Maßnahme gerichteter Beschlussantrag wird mit den Stimmen von Wohnungseigentümer B, der die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigt, abgelehnt. Gegen den Negativbeschluss wendet sich K mit der Anfechtungsklage, verbunden mit einem Antrag auf Beschlussersetzung. Der Verwalter beauftragt mit der Vertretung der übrigen Wohnungseigentümer einen Rechtsanwalt. Wohnungseigentümer B beauftragt seinerseits einen Rechtsanwalt. Das AG weist die Klagen ab und erlegt K die Kosten des Rechtsstreits auf. Auf Antrag der beklagten Wohnungseigentümer (ohne B) setzt es die von K zu erstattenden Kosten einschließlich der Erhöhung der Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV RVG um 0,6 i. H. v. 1.860,45 EUR fest. Den Kostenfestsetzungsantrag von B i. H. v. 1.463,70 EUR weist es hingegen zurück. Die Beschwerde hiergegen hat keinen Erfolg. Die in § 50 WEG a. F. geregelten Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise eine Vertretung durch mehrere Rechtsanwälte erfolgen könne, lägen nicht vor.

4 Die Entscheidung

Dem stimmt der BGH im Kern zu! Ein Grund i. S. v. § 50 WEG a. F. liege nicht deshalb vor, weil ein einzelner Wohnungseigentümer über die Mehrheit der Stimmen verfüge und den angefochtenen Beschluss gegen die Stimmen aller übrigen Wohnungseigentümer herbeigeführt habe. Die übrigen Wohnungseigentümer seien ohne Rücksicht auf ihr individuelles Abstimmungsverhalten Beklagte und verfolgten als solche dasselbe prozessuale Ziel wie der Mehrheitseigentümer. Die Vertretung durch mehrere Rechtsanwälte sei auch nicht deshalb geboten gewesen, weil ein gemeinsamer Prozessbevollmächtigter gegen das in § 43a Abs. 4 BRAO geregelte Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen verstoßen hätte. In diesem Fall könne eine Mehrfachvertretung zwar erforderlich sein (Hinweis u. a. auf LG Berlin, Beschluss v. 14.1.2009, 82 T 447/08). Die Voraussetzungen des § 43a Abs. 4 BRAO lägen aber nicht vor. Denn das Verbot greife nur dann ein, wenn nach den konkreten Umständen des Falls ein Interessenkonflikt tatsächlich auftrete. Auch eine gleichrangige quotale Erstattung der B entstandenen Rechtsanwaltskosten sei nicht angezeigt. Wie der Senat bereits entschieden habe, sei nämlich eine vorrangige Kostenerstattung gerechtfertigt, wenn der Verwalter einen Rechtsanwalt für die beklagten Wohnungseigentümer aufgrund der gesetzlichen Befugnis nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG a. F. beauftragt habe. Das Beschwerdegericht habe allerdings übersehen, dass B eine anteilige Kostenerstattung im Hinblick auf einen nicht verbrauchten Restbetrag verlangen könne (Hinweis u. a. auf Müller in Hügel/Scheel, Rechtshandbuch Wohnungseigentum, 4. Aufl., § 17 Rn. 233).

5 Hinweis

§ 50 WEG a. F. ist nur noch in den Verfahren anwendbar, die am 30.11.2020 anhängig waren. Im aktuellen Recht wäre die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Beklagte. Die Ausführungen dürften aber 1:1 für § 44 Abs. 4 WEG übertragbar sein. Denn danach gelten die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten nur dann als notwendig zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung i. S. d. § 91 ZPO, wenn die Nebenintervention geboten war. Die Begriffe "geboten" in beiden Normen meinen dasselbe (BR-Drs. 168/20, 95; MüKoBGB/Hogenschurz, 8. Aufl., WEG § 44 Rn. 74; Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 44 Rn. 100). Die Frage einer "Gebotenheit" i. S. v. § 44 Abs. 4 WEG ist im Übrigen für jede Instanz gesondert zu prüfen (MüKoBGB/Hogenschurz, 8. Aufl., WEG § 44 Rn. 74; Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 44 Rn. 102). Es ist z. B. vorstellbar, dass eine Streithilfe in 1. Instanz noch geboten war, nicht aber mehr in der Beschwerde, in der Berufung oder in einem anderen Rechtsmittel (MüKoBGB/Hogenschurz, 8. Aufl., WEG § 44 Rn. 74).

6 Entscheidung

BGH, Beschluss v. 1.7.2021, V ZB 55/20

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