1 Leitsatz

Ist eine Versammlungsstätte zu klein und wird deshalb einem Wohnungseigentümer die Teilnahme an der Versammlung verwehrt, ist hierdurch das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht des Wohnungseigentümers in gravierender Weise beeinträchtigt, sodass die gefassten Beschlüsse, ohne dass es auf eine Kausalität ankommt, für ungültig zu erklären sind.

2 Normenkette

§ 24 Abs. 1 WEG

3 Das Problem

In der Wohnungseigentumsanlage gibt es 4 Wohnungseigentümer. Der Verwalter teilt Wohnungseigentümerin K mit, sie könne an einer Versammlung, zu der sie erschienen ist, nicht teilnehmen. Als Grund gibt der Verwalter an, in der Versammlungsstätte hätten nur 5 Personen Platz. Neben ihm selbst seien aber bereits seine Mitarbeiterin Y und 3 Wohnungseigentümer vor Ort. Aus diesem Grund geht K gegen die auf dieser Versammlung gefassten Beschlüsse vor.

4 Die Entscheidung

Mit Erfolg! Die Beschlüsse seien wegen der Verletzung der Teilnahmerechte der K für ungültig zu erklären. Auch in Zeiten einer Pandemie bestehe ein Anspruch der Wohnungseigentümer auf eine persönliche Teilnahme an Versammlungen. Es sei folglich unzulässig, Versammlungen dahingehend zu beschränken, dass lediglich eine Teilnahme einzelner Personen gewährleistet werde und die übrigen Wohnungseigentümer Vollmachten zu erteilen hätten, oder von vornherein lediglich zu Vertreterversammlungen zu laden, bei denen sich die Wohnungseigentümer nur (üblicherweise vom Verwalter) vertreten lassen könnten.

Die Wohnungseigentümer hätten nicht nur das Recht, ihren Willen durch Abstimmungsverhalten zum Ausdruck zu bringen, sondern auch durch Wortmeldungen auf der Versammlung die Mehrheit in Richtung der von ihnen gewünschten Willensbildung zu beeinflussen. Der Versammlungsort und die Versammlungsstätte müssten so beschaffen sein, dass eine ordnungsmäßige Durchführung gewährleistet und allen Wohnungseigentümern die Teilnahme möglich sei (Hinweis auf Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 24 Rn. 19). Dies sei nicht der Fall. B könne sich auch nicht darauf berufen, K habe zuvor nie, oder zumindest nur selten, an den Versammlungen teilgenommen. Das Recht auf Anwesenheit bei den Versammlungen, und sei es durch einen Vertreter, gehe nicht dadurch verloren, dass dieses Recht zuvor nicht (regelmäßig) wahrgenommen worden sei.

Die Verletzung der Teilnahmerechte führe dazu, dass die gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären seien. Zwar scheide eine Ungültigerklärung in der Regel aus, wenn feststehe, dass sich der Beschlussmangel auf das Abstimmungsergebnis nicht ausgewirkt habe. Anders verhalte es sich jedoch bei schwerwiegenden Verstößen, die dazu führten, dass das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht eines Mitgliedes in gravierender Weise unterlaufen werde. Ein solcher Fall sei gegeben.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es im Kern um die Frage, welche Größe der Verwalter bei der Bestimmung der Versammlungsstätte zu wählen hat.

Versammlungsstätte

Der Verwalter muss keine Versammlungsstätte auswählen, die es erlaubt, dass potenziell alle Wohnungseigentümer unter Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Bestimmungen an der Versammlung teilnehmen. Kommen erfahrungsgemäß nur wenige oder einige Wohnungseigentümer, so reicht es aus, eine Versammlungsstätte auszuwählen, die für diese Wohnungseigentümer eine Versammlung erlaubt und die den öffentlich-rechtlichen Bestimmungen Rechnung trägt. Kommen dann mehr Wohnungseigentümer als erwartet, bleibt allerdings nichts anderes übrig, als die Versammlung zu vertagen.

6 Entscheidung

LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 22.3.2022, 2-13 S 4/22

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