Leitsatz

Ein Stimmrechtsmissbrauch liegt vor, wenn der Mehrheitseigentümer gegen die Stimmen des Minderheitseigentümers eine "im Konzernverbund" mit dem Käufer der Wohnungen des Mehrheitseigentümers stehende Gesellschaft zum Verwalter bestellen lässt, die sodann über die Zustimmung zur Veräußerung der Wohnungen nach § 12 Abs. 1 WEG an die andere Konzerngesellschaft zu befinden hat.

 

Normenkette

§§ 21 Abs. 4, 25 Abs. 5 WEG; § 242 BGB

 

Das Problem

  1. In einer Wohnungseigentumsanlage gilt das Objektprinzip. Es gibt 2 Wohnungseigentümer: B, der 48 der insgesamt 80 Wohnungseigentumsrechte gehören, und K, dem 32 Wohnungseigentumsrechte gehören. Einen Verwalter gibt es nicht. Im Jahr 2011 verkauft B ihre Wohnungseigentumsrechte einem Z (zu einer Umtragung im Grundbuch kommt es nicht, B bleibt also Eigentümer und Wohnungseigentümer). 2012 wird mit den Stimmen der B, die V zur Verwalterin bestellt (V steht mit Käufer Z in einem "Konzernverbund", hat also ein Interesse daran, dass Z Eigentümer wird).
  2. V lädt zum 15. August 2013 zu einer außerordentlichen Versammlung. Sie fügt der Ladung Bewerbungen von 2 Personen bei, die sich als Verwalter bewerben. Wohnungseigentümer K holt Alternativangebote ein. Mit Schreiben vom 14. August 2013 verlegt V die Versammlung auf den 29. August 2013 (wohl in Kenntnis, dass ihr die alternativen Angebote "gefährlich" sind). Nach der Tagesordnung soll wieder über die Bestellung eines Verwalters sowie die Aufhebung der bislang vereinbarten Veräußerungsbeschränkung entschieden werden. Dieser Einladung sind wiederum Verwalterbewerbungen beigefügt. Auf der Versammlung wird V mit der Stimmenmehrheit der B (erneut) zur Verwalterin bestellt.
  3. Gegen diesen Beschluss geht K vor. Er rügt, B habe ihre Stimmenmehrheit missbraucht. V habe in Kenntnis der Angebote der anderen Bewerber ihr Angebot geändert – dies sei "manipulativ". Die wirtschaftlichen Verhältnisse der V seien nicht hinreichend geordnet. Ihr Gesellschaftsvertrag sehe eine Wohnungsverwaltung nicht als Gesellschaftszweck vor. Einzelne Sondervergütungspositionen seien zu hoch bemessen und unwirksam. Die Stimmrechtsausübung für B durch V sei unwirksam. Es habe ein Stimmrechtsausschluss bestanden.
 

Die Entscheidung

  1. Mit Erfolg! B habe allerdings an der Beschlussfassung über die Verwalterbestellung mitwirken dürfen. Ein Stimmrechtsausschluss bestehe nur in den im Gesetz vorgesehenen Anwendungsfällen, bei denen es sich um eng auszulegende Ausnahmetatbestände handle. Der Stimmrechtsausschluss nach § 25 Abs. 5 WEG betreffe ausschließlich Rechtsgeschäfte mit Bezug auf die gemeinschaftliche Verwaltung. Vom Stimmverbot ausgenommen seien demgegenüber mitgliedschaftliche Angelegenheiten. Um eine solche handle es sich bei der Bestellung eines Verwalters, sodass bereits der Anwendungsbereich des § 25 Abs. 5 WEG nicht eröffnet sei und ein Wohnungseigentümer daher an seiner Bestellung zum Verwalter mitwirken dürfe (Hinweis auf OLG Hamm v. 22.2.2007, 15 W 322/06), erst recht mithin an der Bestellung einer anderen Person zum Verwalter.
  2. Die Beschlussfassung sei jedoch wegen eines Stimmrechtsmissbrauchs des B unwirksam. B habe ihr Stimmrecht entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeübt. Ihre Stimmabgabe hätte daher vom Versammlungsleiter (V) nicht gewertet werden dürfen. Ohne die Stimmen der B wäre V nicht zur Verwalterin bestellt worden, sodass der Mangel auch kausal für die Beschlussfassung gewesen sei. In einem solchen Fall sei der Beschluss zwar nicht nichtig, aber auf die entsprechende Rüge in einer Anfechtungsklage aufzuheben. Der Stimmrechtsmissbrauch ergebe sich hier aus dem Umstand, dass es sich bei V um eine im Konzernverbund mit Z stehende Gesellschaft handle, die durch die gleichen natürlichen Personen vertreten werde wie Z, und die Verwalterbestellung durch die B maßgeblich mit dem Ziel betrieben werde, die Veräußerung von B an die Z genehmigen zu lassen. Bei dieser Konstellation sei ein Interessengegensatz zwischen K einerseits, die Wert auf eine umfassende Prüfung der Voraussetzungen lege, ob gegen Z ein wichtiger Grund bestehe, und B, der Z und V andererseits, die ein Interesse an der zügigen Abwicklung des Veräußerungsvertrags hätten, "evident". Es bestünden nachvollziehbare Zweifel des K, ob V und die für sie handelnden Personen, die jedenfalls teilweise mit den für Z handelnden Personen identisch seien, die Prüfung der Voraussetzungen unvoreingenommen und unter Wahrung der Belange der Minderheitseigentümer durchführen könne.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Ein Stimmrechtsmissbrauch wegen der Gefahr der Majorisierung liegt nicht bereits dann vor, wenn ein Wohnungseigentümer ein absolutes Stimmenübergewicht hat und mit diesem gegen den Willen der anderen Eigentümer Beschlüsse fasst. Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzutreten, die die Ausübung des Stimmrechts im konkreten Einzelfall durch den Mehrheitseigentümer als missbräuchlich und gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung verstoßend erscheinen lassen.
  2. Hinsichtlich der Bestellung eines Verwa...

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