1 Leitsatz

Die Teilnahme an einer Versammlung auf der Terrasse einer Miteigentümerin kann für einen Wohnungseigentümer unzumutbar sein, wenn er mit dieser Miteigentümerin seit Jahren im Streit liegt.

2 Normenkette

§§ 23, 24 WEG

3 Das Problem

In einer Wohnungseigentumsanlage gibt es neben dem Ehepaar K nur die Wohnungseigentümerin X. Die Wohnungseigentümer sind seit Jahren zerstritten. Der Verwalter beruft im Juli 2021 eine Versammlung auf einer Terrasse ein ("COVID-Zeit"). Die Terrassenfläche steht im gemeinschaftlichen Eigentum, wird aber nur von X benutzt. Das Ehepaar nimmt an der Versammlung nicht teil. Anschließend geht das Ehepaar allerdings gegen sämtliche dort von X gefassten Beschlüsse vor.

4 Die Entscheidung

Mit Erfolg! Der Versammlungsort sei dem Ehepaar tatsächlich nicht zumutbar gewesen. Dies folge zwar nicht aus einer Verletzung des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit. Die bloße Möglichkeit, ein Dritter könnte die Wohnungseigentümer belauschen, reiche für die Annahme eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit noch nicht aus. Richtig sei aber, dass der Versammlungsort für das Ehepaar unzumutbar gewesen sei, weil zwischen ihm und X weitgehende Zwistigkeiten bestünden. Das Erscheinen an einem Versammlungsort müsse objektiv betrachtet unter Berücksichtigung der Interessen den Wohnungseigentümern zumutbar und für diese akzeptabel sein, was bei zerstrittenen Gemeinschaften einen neutralen Ort erfordere.

Einem Wohnungseigentümer könne beispielsweise nicht zugemutet werden, einer Einladung zur Versammlung in der Wohnung eines verfeindeten Wohnungseigentümers zu folgen. Ebenso sei es dem Ehepaar im Fall unzumutbar gewesen, zur Versammlung auf der Terrasse der X zu erscheinen. Dabei sei unerheblich, dass sich die Terrasse auf einer Fläche befinde, die im gemeinschaftlichen Eigentum stehe. Dadurch, dass die Terrasse von X jedenfalls faktisch allein genutzt werde und das Ehepaar keinen unbegrenzten Zutrittsanspruch genieße, habe sich das Ehepaar im Gegensatz zu X am Versammlungsort nicht vertraut bewegen können. Es sei auch kein Grund ersichtlich, warum man sich nicht an einem neutralen Ort hätte treffen können. Die fehlerhafte Ortswahl sei auch kausal für die Abstimmungsergebnisse gewesen.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es vor allem um die Frage, welche Versammlungsstätte die Verwaltung nach Ermessen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, als deren Organ sie handelt, bestimmen kann.

Geeignete Versammlungsstätte

Eine Versammlungsstätte muss einen störungsfreien Ablauf gewährleisten, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen und akzeptabel sein. Dies ist u. a. dann nicht der Fall, wenn sie von der Größe her nicht die Teilnahme sämtlicher Wohnungseigentümer zulässt, die potenziell kommen, nicht den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit wahren kann, als Ort zu laut oder ein ordnungsmäßiger, gesetzlicher Ablauf der Versammlung dort nicht gewährleistet ist. Bestehen zwischen einem Wohnungseigentümer und dem Verwalter erhebliche Differenzen, kann beispielsweise die Wohnung des Verwalters ein unzumutbarer Ort sein.

Ähnlich wird es bei der Wohnung eines Wohnungseigentümers liegen oder mit "seiner" Terrasse sein, wenn sich die Wohnungseigentümer nicht mögen. Bestimmt der Verwalter als Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen solchen Ort dennoch, handelt er ermessensfehlerhaft. Dort gefasste Beschlüsse sind dann jedenfalls anfechtbar.

6 Entscheidung

LG Frankfurt a. M., Urteil v. 2.2.2023, 2-13 S 80/22

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