Leitsatz

Zur Darlegung wiederkehrender Beeinträchtigungen des Mietgebrauchs genügt eine Beschreibung, aus der sich ergibt, um welche Art von Beeinträchtigungen (Partygeräusche, Musik, Lärm durch Putzkolonnen auf dem Flur o.Ä.) es geht, zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten; der Vorlage eines "Protokolls" bedarf es nicht.

(amtlicher Leitsatz des BGH)

 

Normenkette

BGB § 536

 

Kommentar

Die Wohnung des Mieters befindet sich in einem großen Wohnhaus in zentraler Innenstadtlage in Berlin. Der Mietvertrag besteht seit 1999. Im Jahr 2005 wurde das Gebäude veräußert. Der Erwerber hat frei werdende Wohnungen in möblierte Apartments umgewandelt, die er kurzzeitig an Berlin-Touristen vermietet.

Der Mieter macht geltend, dass die Apartments überwiegend von jungen Leuten genutzt werden. Hierdurch komme es zu erheblichen Belästigungen der verbliebenen Langzeitmieter durch Partylärm und durch Lärm bei der Heimkehr der Touristen von nächtlichen Unternehmungen. Da sich in dem Gebäude keine ständig besetzte Rezeption befinde und die Apartments nur unzulänglich gekennzeichnet seien, komme es häufig vor, dass die Touristen zur Nachtzeit an den Wohnungstüren der Langzeitmieter klingeln, weil sie ihr Apartment nicht finden. Häufig sei der Fahrstuhl blockiert und das Treppenhaus verschmutzt. Schließlich komme es zu Störungen durch die häufigen Bewohnerwechsel und die auch am Sonntag arbeitenden Putzkolonnen.

Der Mieter hat die Miete aus diesen Gründen gemindert, zuletzt um 30 %. Der Vermieter hat wegen der Rückstände fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt und Räumungsklage erhoben. Das Berufungsgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Mieter habe nicht hinreichend dargetan, dass durch die Vermietung an Touristen eine Gebrauchsbeeinträchtigung eingetreten sei.

Der BGH hat das Urteil aufgehoben und ausgeführt, dass es gegen Art. 103 Abs. 1 GG (Anspruch auf rechtliches Gehör) verstößt.

1. Kurzzeitvermietung ist kein Mangel

Für das Wohnungseigentumsrecht hat der V. Zivilsenat entschieden, dass die Vermietung einer Eigentumswohnung an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste Teil der zulässigen Wohnnutzung ist, wenn die Teilungserklärung nichts anderes bestimmt und die Wohnungseigentümer nichts anderes vereinbart haben (BGH, Urteil v. 15.1.2010, V ZR 72/09, NJW 2010 S. 3093).

Für ein Mietshaus gilt nichts anderes. Daraus folgt, dass eine entsprechende Vermietungspraxis des Eigentümers für sich allein keinen Mangel begründet. Die Langzeitmieter können deshalb weder verlangen, dass der Eigentümer die Vermietung an Kurzzeitmieter unterlässt, noch stehen ihnen Gewährleistungsansprüche zu.

2. Sozialadäquate Beeinträchtigungen

In einem Mehrfamilienhaus müssen die Mieter gelegentliche Beeinträchtigungen aufgrund von Streitigkeiten zwischen Mitbewohnern ebenso hinnehmen wie gelegentliches Feiern anderer Bewohner. Solche Beeinträchtigungen sind sozialadäquat und können deshalb nicht als Mangel bewertet werden.

3. Abgrenzung der Gebrauchsstörungen

Die Abgrenzung zwischen den sozialadäquaten und damit unerheblichen Beeinträchtigungen und den erheblichen Gebrauchsstörungen richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

Für den zur Entscheidung stehenden Fall führt der BGH aus, dass die vom Mieter geschilderten Störungen über das hinzunehmende Maß "weit hinausgehen".

4. Darlegung und Beweis durch Mieter

Darlegungs- und beweispflichtig für das Ausmaß der Gebrauchsstörungen ist der Mieter. Dies führt zu der Frage, welche Einzelheiten der Mieter im Prozess vorzutragen hat.

Für den BGH gilt: Es genügt

  • eine Beschreibung der Art von Beeinträchtigungen wie Partygeräusche, Musik, Lärm durch Putzkolonnen auf dem Flur oder Ähnliches,
  • zu welchen Tageszeiten,
  • über welche Zeitdauer und
  • in welcher Frequenz die Störungen ungefähr auftreten.
Wichtig

Kein Lärmprotokoll notwendig

Nicht erforderlich ist, ein "Protokoll" vorzulegen.

Zur Höhe der Minderung muss der Mieter nichts vortragen. Einen in diesem Sinne entscheidungserheblichen Sachvortrag muss das Gericht aufklären.

Zu diesem Zweck hat der BGH das Verfahren an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 29.2.2012, VIII ZR 155/11, NJW 2012 S. 1647

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